auch schlafen ist eine form der kritik

Tag der geistigen Einschränkung

Heute ist Tag des geistigen Eigentums und darauf ein riesengroßes Hurra!

Zum Glück darf man diesen Satz zur Feier des Tages schreiben, ohne dafür an irgendeine diffus-körperlose Entität hartes Geld abtreten zu müssen. Der BDI übt sich heute in Kulanz, denn auch wenn er diesen Tag der Idee produziert hat und nun unter dem gemeinen Volk verwertet und verbreitet, darf jeder darüber schreiben, der Lust dazu hat. Und das ganz ohne die im üblichen Umfang gemäße Entlohnung, die man normalerweise beim BDI erwartet. Der Inhalt ist hier und heute das Wichtigste.

„Alle(s) in einem Namen“

Da aber nicht alles lustig, fröhlich und heiter im Lande der ewig aufgehenden Ideen und Geschäftsmodelle ist, ermahnen uns heute eben viele Leute zusätzlich. Und kostenlos. Prominente Leute, wohlgemerkt — auf die hört man eher. In Vertretung dieser, so lassen es zahlreiche, vollkommen freiwillige, Unterschriften vermuten, richtet sich die schaffende Industrie mit prosaischer Elegie an die Drittoberste im Lande.

Vor allem im Internet werden Musik, Filme oder Hörbücher millionenfach unrechtmäßig angeboten und heruntergeladen, ohne dass die Kreativen, die hinter diesen Produkten stehen, dafür eine faire Entlohnung erhalten.

Man solidarisiert sich mit seiner Herde Schafenden. Man ist ja vollautomatisch, da muss man ganz ehrlich sein, als Verwalter der ganzen Kreativität wiederum selbst ein Schaffender. „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ sprach schließlich schon Jesus. Und der muss es wissen, auch wenn er vom Teilen eine komische Meinung besaß. Aber es sei ihm verziehen, er hatte schließlich auch nicht gut 1,6 Milliarden Schekel im Gewand. Selbst wenn, seine 12 Kumpanen hätten sich mit jeweils 100 Münzen wohl auch zufrieden gegeben (das heisst, vielleicht alle bis auf einen) und zeitgleich Hymnen auf ihn gesungen, mit der Bitte, die Menschen mögen ruhig noch mehr in sein Gewand stecken. Denn dann würden die 12 Männer eventuell gar 200 Münzen von ihm bekommen. Die Hoffnung…

„Man kann doch schweren Herzens nur Abmahen“

Denn als einziger Weg, sich zur Wehr zu setzen, bleibt Künstlern, Kreativen und den beteiligten Industrien bisher nur die Möglichkeit, gegen die Anbieter illegaler Produkte juristisch vorzugehen.

Ruft der BDI, natürlich stellvertretend, voll Wehleid aus und man bedauert all die Künstler, die Kreativen aber vor allem die beteiligten Industrien. Wenn Idee, Inspiration, Unterhaltung und Antrieb nun plötzlich für alle verfügbar ist, was soll dann aus uns als Ganzes werden? Wir würden in der Entwicklung stehen bleiben, denn es braucht einen, der bei all diesen herumschwirrenden unverzichtbaren Kulturgütern reguliert und die Richtung weist. Wir sind auf wenige angewiesen. Die Menge sind Einzelne. Müssen Einzelne sein. Diejenige, die um den Wert von Geistigem Eigentum wissen, die überhaupt die Fähigkeit haben, es gebührend zu schätzen. Dann führt dieses Imperium, diese Monokultur, zielstrebig zu wirklicher Kultur für die Allgemeinheit.

Geistiges Eigentum ist aber – so hat es der Chef des gleichnamigen Bilderimperiums Mark Getty einmal formuliert – das Öl des 21. Jahrhunderts.

Und wir wissen alle, wieviele gute Sachen uns das wertvolle Öl geschenkt hat, welch Freude es seinen Verwaltern dabei noch immer bringt. Kultur hat ihren Preis, das weiß auch der zitierte Getty. Sein Imperium der Eindrücke, Gefühle und Mitteilung sichert die eigenen Ölquellen. Und auch hier geht man nur ungern in vollkommener Weise juristisch vor. Sollte der eigene Ölertrag dadurch gefährdet sein, dass andere mit kleinen Meßbechern dastehen und eine Kleinigkeit für sich abschöpfen, reichen als Reaktion auch freundliche Briefe. Die Adressaten sehen dann ihren kleinen Beitrag zur Nicht-Kultur ein und berichtigen ihn nachträglich in tiefer Erfurcht.

„Gemeinschaftlich mit einem Schlag zur Kultur führen“

Es gibt allerdings zuviele dieser Irrläufer, die der abstrakten Ansicht sind, dass Geistiges Eigentum ein Paradoxon beschreibt, weil höchstens Gedanken dann Eigentum sind, so lang man sie unausgesprochen und fest verschloßen im eigenen Köpfchen behält. Dabei wissen wir doch nun, dass Gemeingut von wenigen verwaltet werden muss, soll es irgendeinen gemeinschaftlichen Nutzen haben. Eine Mammutaufgabe, will man jeden dieser Gedankengut-Verbrecher einzeln zur Wahrheit führen. Deshalb hat die Industrie — und natürlich auch die Kreativen, nicht zu vergessen — Recht, wenn sie hierfür die Allgemeinheit in Form der Staats-Institution einspannen möchte. Alle profitieren schließlich von der Verwaltung, irgendwann, dann sollen die auch ihren Beitrag dazu leisten.

Auf europäischer Ebene erkennen immer mehr Länder, dass die massenhafte individuelle Rechtsverfolgung im Internet nur eine Zwischenlösung sein kann und technologischer Fortschritt und der Schutz geistigen Eigentums nicht im Widerspruch zueinander stehen dürfen.

Diese Zwischenlösung, nun wirklich eine Lösung und nicht einfach nur ungeliebte Last, die die anderen Länder auszumerzen versuchen, sieht vor, dass bei einer Bedrohung der Monokultur den Individuen schlicht der Zugang zur digitalen Kultur entzogen wird, sie Anschluß verlieren. Wortwörtlich. Vollkornbrot und Feuerpeitsche, liebe Freunde, denn Kultur ist kein Recht, dass einem einfach so zufliegt, es muss durch Befolgen der von wenigen beabsichtigten und durchgesetzten Regeln erworben werden.

Selbstverständlich steht an erster Stelle, muss man die wahre Durchdringung und Festlegung von Kultur vollziehen, der Überblick. Spötter sagen häufig, man würde kontrollieren wollen, aber das verzerrt die Tatsachen. Man verwaltet nur die, die am Ende von Kultur im übertragenem Sinne profitieren.

[…] wir wissen, dass auf einem solchen Weg viele politische und rechtliche Hürden zu überwinden sind.

Als Verwalter muss man die Marschrichtung vorgeben und nach besten Wissen und Gewissen für andere entscheiden, was für einen selbst das Beste ist. Das Vertrauen und die Ergebenheit, vor allem die der anderen, ist von entscheidender Bedeutung und unabdingbar. Das wusste schon der junge, dann alte, Seneca, auch wenn der es zu umständlich formuliert hat.

„Der Nachwuchs, unsere wichtigste Ressource“

Die Notwendigkeit der Wahrung des Status quo ist unübersehbar, gerade in diesen turbulenten digitalen Zeiten. Man braucht weiterhin treue Abnehmer der eigenen Erzeugnisse anderer Menschen, man braucht traditionelle Auffassung und Verständnis von Eigentum — aber vor allem braucht man Nachwuchs, der entweder schon Kreativität sein Eigen nennen kann oder solchen, der wenigstens kreativ-schafend nach außen wirkt. Kurz, man braucht beständig neue Generationen, die sich bedingungslos in alte Gewänder kleiden. Aber hier liegt die große Gefahr, dieser die Kultur verachtenden neuen Welt.

[…] während etablierte Künstler noch von den Erfolgen der Vergangenheit zehren können, trifft die Internetpiraterie vor allem junge Nachwuchstalente.

Wer möchte diesen jungen Talenten ihren Erfolg und den sicherlich kommenden Ruhm verwehren? Diese ordentlichen jungen Leute, die ihre Inspiration ehrlich aus dem von uns verwalteten und bereitgestellten Musenpool teuer erworben haben? Doch wohl niemand. Wie könnten wir, als Gesellschaft, es verantworten, wenn diese Menschen nicht einen entsprechenden Gegenwert von uns für ihre Investitionen bekommen? Hätten sie diese nicht getätigt, wären sie schließlich nur allesamt unbeschriebene Blättchen und wer will schon hören, sehen oder erfahren, was so ein leerer Gegenstand vollbringen kann. Deshalb ist die Bitte an die kommenden Generationen verständlich, der Kreislauf muss aufrecht erhalten werden. Wo stünden wir sonst ohne ihn?

Kultur ist eine eindeutige Sache: Entweder du kaufst oder du klaust. Es gibt nichts dazwischen. Sagt die Industrie. Vielleicht auch die Künstler.


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