auch schlafen ist eine form der kritik

Was teilweise geschrieben wurde

Eine knappe Serienumschau muss von Zeit zu Zeit sein.

So ein Autorenstreik kann Wunder wirken, wie Boston Legal momentan mit den frischeren Folgen der vierten Staffel beweist. Die Episoden zuvor konnten nicht einmal mehr als sorglose Selbstparodie im wohlwollenden Auge durchgehen, zeichneten sich diese doch immer stärker durch lieb- und zusammenhangslose Inhalte aus. Die Luft schien raus zu sein. Nach längerer Durststrecke haben die Schreiberlinge anscheinend ihre Muse wiedergefunden. Nantucket will die Atombombe. Es wird gegen eine Talk Show geklagt, die sich ihrer Verantwortung entziehen möchte. Shirley Schmidt verteidigt einen Veteranen und Alan Shore steht vor dem Supreme Court. Alles kleine fein verwobene Geschichten, um sehr aktuelle Themen zur Sprache zu bringen. Ja, die idealisierte liberale Phantasiewelt ist wieder da.

Von Reaper war ich anfangs ja nicht sonderlich angetan. Inzwischen jedoch scheint die Show ihre Nische zu finden und es macht zugegebenermaßen doch Spaß, dem Gewusel zuzuschauen. Die Autoren verließen nach einigen Folgen die engen Formvorgaben der einzelnen Episoden und streckten ihre Fühler aus. Sehr unterhaltsame Skripte, die trotz oder gerade wegen des bisweilen offensichtlich geringen Budgets, sympathisch scheinen und zeigen, dass in erster Linie das geschriebene Wort wichtig ist und nicht das in die Bilder reingepumpte Geld.

Der Schwenk auf Produktionen hierzulande ist leider nicht ganz so positiv. Beispielsweise ProSieben: Unschuldig fühlen sich hoffentlich die Autoren der gleichnamigen Serie nicht. Die Exposition mittels kongenialer Dialoge wie

Statist X: „Frau Doctor Winter, warum machen Sie das eigentlich alles?
[starrt einige Sekunden wie auf Kommando in die Leere]
Anna Winter: „Weil es mein Beruf ist.“

hinter sich gebracht, hofft man für die Schreiberlinge, dass ihnen der Sender beim Skript ununterbrochen reingequatscht hat. Denn auch wenn Herr Lückerath in der Serie mal wieder irgendeinen Beweis zu sehen meint, dass „die deutsche Serie lebt“, so beweist sie für mich nur ein ums andere Mal die mitunter vollständige Abwesenheit jeglicher Kreativität der Sender hierzulande, die in ein Hinterherhecheln vermeintlich großer Vorbilder mündet. Es sei eine Serie „mit sehr deutlicher, eigener Handschrift“. Freilich nur dann, wenn man unter eigener Handschrift das unausgegorene Zusammenmixen von bekannten deutschen Inhalten und amerikanischer Visualisierung versteht, gepaart mit einer musikalischen Untermalung, die mehr sein will als das, was sie letztendlich vertont und dadurch unfreiwillig komisch wirkt. Wenn die deutsche Serie nur leben kann, indem man die Hauptdarstellerin alle 4 Minuten mit Rehblick bedeutungsschwanger an der Kamera vorbeiblicken lässt, dann wäre es vielleicht an der Zeit, sie, die deutsche Serie, würdevoll zu Grabe zu tragen und zu hoffen, dass es die nächste Generation besser macht.


Eine Antwort

  1. zwetschgo

    Wenn die deutsche Serie lebt, dann frag ich mich warum Seien wie „Die Anwälte“ oder „Deadline“ noch vor dem Ende der ersten Staffel eingestellt wurden. Die waren vielleicht nicht ganz originell und quotentauglich, aber ich hoffe sie haben den Kosten für die nervige Werbung für „Unschuldig“ absolut in den Sand gesetzt, weil das jetzt auch keiner guckt. Aber das wird wohl nicht so kommen, weil durch die Werbung dem „Ottonormalgucker“ suggeriert wird „das musst du gucken, sonst verpasst du was“. Und der guckt dann natürlich, genau so wie er sich DSDS Klingeltöne runterlädt und bei Big Brother mit“votet“ und bei Neun live auf den Hotbutton hofft.

    Schön, aber, dass dir Reaper jetzt doch gefällt.

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