auch schlafen ist eine form der kritik

vollkommen. frei, glücklich und zufrieden

Hin und wieder wohnt man ganz menschlichen Momenten bei, die den Pessimisten in einem für kurze Zeit ersticken können, weil sie daran erinnern, dass alles anders sein könnte. Weil sie zugleich damit zeigen, dass es vereinzelt auch wirklich anders ist.

In der Stadtbahn sitzt der Vater, liest etwas, während sich der Sohn seinem Bewegungsdrang hingibt. Der Kleine hat dafür in der, durch das gesamte Wagenabteil verlaufenden, oberen Querstange eine praktische Vorrichtung entdeckt, lässt sich daran hängen und wandert so von einem Ende des Wagens hin zum anderen. Der Vater schaut von Zeit zu Zeit zu seinem Sohn und lächelt diesen, ob dieses Tatendranges, zufrieden und glücklich an. Manche Gesichter der Anwesenden lassen jedoch die Interpretation zu, dass sie etwas an diesem Umstand der entfernt umherschwingenden und -baumelnden Beine stört. Selbst wenn: sie sagen natürlich nichts.

Derweil hält die Bahn am Hauptbahnhof. Türen öffnen sich, Menschen steigen aus, Menschen steigen ein– um den immer noch hangelnden Kleinen herum. Ihn stört das bei seiner konzentrierten sportlichen Tätigkeit nicht; warum auch. Genug Platz ist vorhanden. Aber viel schöner noch: den Vater stört es auch nicht. Er lächelt, wenn er seinem Sproß zuschaut, weiterhin so vollkommen frei, glücklich und zufrieden, wie zuvor. Er ruft den Nachwuchs nicht zur Räson oder sorgt für Einschränkung, für Angleichung. Er scheint sich selbst und allem so sicher, dass er nicht irgendein eigenes peinliches Empfinden verspürt und meint, das allein sei Grund genug, es am Knirps auszulassen, indem man diesen übertrieben maßregelt. Einhalt gebieten dann, wenn es wirklich darauf ankommt und nicht dann, wenn es abstruse Konventionen fordern.

Ich hätte vor kurzem Glück und Zuversicht dahinschmelzen können. Doch alles hat ein Ende. Ich musste aussteigen. Hinaus, hinaus– in die Welt der Muränen. Und der Pessimist atmete wieder.


Eine Antwort

  1. Hach, bei solchen Gelegenheiten geht mir das Herz auf. Danke für diese Beobachtung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert