auch schlafen ist eine form der kritik

Nicht allein eine Frage der Medienethik

Wo hört Medienethik eigentlich auf?
Diese Frage stelle ich mir seit dem 26. April 2008 nahezu täglich. Seit dem Zeitpunkt, als Josef F. aufgrund der Anschuldigungen seiner Tochter festgenommen wurde, sie 24 Jahre lang in einem Verließ eingesperrt und mit ihr 7 Kinder gezeugt zu haben.

„Die Gier der Medien“ (medienrauschen)

Ja, die Frage stelle ich mir dabei spätestens, seitdem das Foto des Täters in allen Medien groß und fokusiert prangt, diverse Privatvideos beschafft und gezeigt werden und ein ums andere Mal bekannterweise irgendwelche Leute mit diffusen Verbindungen zum Täter/Opfer ihre Gesichter in die zahlreichen Kameras halten dürfen, aber noch viel mehr: in die Kameras halten sollen. Kurz, seitdem der mediale Scheiterhaufen unter Hochdruck erneut errichtet wird und diesem nur schwer zu entkommen ist.

Vielleicht bin ich schon kalt im Herzen, weil ich die Meldung selbst nur aufnahm, wie jede andere Hiobsbotschaft, mich aber die unvermeidbaren Gegenreaktionen einmal mehr am stärksten gestört haben. Dass Menschen unreflektiert auf den ihnen unterbreiteten Zug voller Hassobjekte und -symbole aufspringen und in das Geschrei einstimmen. Dass jegliche Sachlichkeit, von der ich in schwach-hoffnungsvollen Momenten annehme, dass sie ein jeder potentiell in sich trägt, einfach so bereitwillig über Bord geworfen wird. Zugunsten einer Anteilnahme, deren Basis eher im Bereich der Neugier und der einer Lust an Wut und Schock zu liegen scheint. Denn man liest oder hört häufig zwischen den Zeilen, geradezu im selben Atemzug, von Fassungslosigkeit (mitsamt aller nachfolgenden Gefühlsregungen) und einem „gespannt sein“, ob weiterer Erkenntnisse. Dabei hat man sich damit schon selbst eine Erkenntnis unterbreitet; wenn auch unbewusst. Nur verfolgt die mehrheitlich keiner.

Was für ein Bild so manches Medium derzeit in Österreich und der Welt abgibt ist nicht nur der widerwärtig, es ist der Ausverkauf jeglicher menschlicher Anteilnahme und Anstandes.

Das Medium als solches schließt allerdings auch das Kernpublikum mit ein. Dieses wird wiederum selbst zum Medium. Und kaum jemand, so scheint es mir, stellt in diesem Kreislauf die richtigen oder bedeutenden Fragen. Dabei wären sie so wichtig. Für uns.

* Ich denke, das ist keine emotionale Lossagung, keine Abstumpfung, hoffe es auf jeden Fall. Vielmehr nur — so kalt es eben klingen mag — Perspektive. Schaut man sich an, wozu wir unter anderem fähig sein können — gestern, heute wie vermutlich auch noch morgen — sucht und schaut man wirklich in dunkle Abgründe, erkennt man, dass auch schwärzestes Schwarz immer dunklere Schattierungen annehmen kann. Das ist mitunter verstörend und beängstigend, aber es ist auch ein Teil dessen, was wir sind. Sich dem zu stellen, ohne dabei in alte Muster zu verfallen, vielleicht ist das das Ziel?


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert