auch schlafen ist eine form der kritik

Trocknet!

Eben noch ein wenig Verpflegung für das Wochenende eingekauft. Der Rückweg zu Fuß wurde von Hagel begleitet, so dass ich am Ende durchnässt und mit rotem Gesicht die Haustür erreiche, aufschließe und den nicht warmen, dafür aber trockenen Flur betrete. Zwei Damen kommen die Treppe herunter und ich halte ihnen – höflich wie ich bin – die Türe auf, denn sie sehen so aus, als müssen sie sich nach draußen in die kalt-nasse Hölle begeben.

Die Ältere von beiden schaut mich mit einer Mischung aus Mitleid und Interesse an. Ich glaube, ein kurzes Aufblitzen in ihren Augen zu erkennen, wie bei einem Raubtier, das Beute erspäht hat. Ich werde etwas unruhig, denn die beiden machen Halt. Die Ältere beginnt:

Dame: „Haben sie kurz einen kleinen Moment Zeit?“
Moi: „Äh, Moment [mp3-Player ausschalten] Jetzt. Ja…?“
Dame: „Darf ich Sie trotzdem… [sie spielt wohl auf meine unter Umständen jämmerliche durchnässte Erscheinung an] mal etwas fragen?“
Moi: „Worum geht’s?“
Dame: „Wir sind gerade dabei… [sie hält mir eine Ausgabe von „Erwachet!“ unter die Augen. Den Rest ihrer Worte höre ich nicht mehr, bis…] Kennen Sie die Bibel?“

„Super!“ denke ich mir. Da bin ich höflich und als Dank gerate ich an Zeugen. Nungut, spiele ich wenigstens kurzzeitig mal mit.

Moi: „Ja, ist mir ein Begriff.“
Dame: „Würden Sie sagen, dass uns in ihr die Botschaft einer höheren Instanz mitgeteilt wird?“
Moi: „… [Ich schaue sie wohl etwas zu belustigt an. Ihr aufgesetztes Lächeln gerät für eine Sekunden ins Wanken. Um sie nicht weiter zappeln zu lassen antworte ich] Nein. Von Menschen geschrieben und das war’s.“
Dame: „Glauben Sie denn an ein höheres Wesen? Eine höhere Instanz? …“

Ich bin ein wenig genervt: da stehe ich im Hausflur, von Jacke, ihrer Kapuze und den darunter hervorstehenden Haaren tropft es auf den Boden und die Dame will unbeirrt religiöse Themen erörtern, oder in ihrem Fall schlicht missionieren. Ich überlege, ob ich ihr anhand dieser treffenden Situation veranschaulichen soll, weshalb ich mit all der religiösen und dogmatischen Chose ein Problem habe. Aber das würde einerseits Aufwand bedeuten, denn ich bin ja ein fauler Zeitgenosse und andererseits würde es nichts bringen, zu nichts führen. Da könnte ich auch mit einer Wand in meiner Wohnung diskutieren, am Ergebnis würde das nichts ändern. Ich beschließe also zu antworten.

„Ja. An den Göttervater, Kronos.“

Es verschlägt ihr augenblicklich die Sprache und man merkt, wie die Dame in ihren Gehirnwindungen nach einer Reaktion kramt. Letztlich ringt sie sich ein „Ja, dann ist ja gut.“ ab, fragt noch nach meiner Wohnungsnummer, damit „vermerkt werden kann, dass ein Gespräch schon stattgefunden hat und man nicht nochmal klingelt“ und verabschiedet sich höflich. Ich verabschiede mich ebenso freundlich mit einem „Bis bald“ und begebe mich in meine Wohnung.


Eine Antwort

  1. Kronos. Hihi. Die Antwort muss ich mir merken. 🙂

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