In solch goldenen Kutschen sind sie nun gefahren: wie im Märchen. Jeder hat gleich sehen können, wer da König im Lande gewesen ist – jeder hat es sehen sollen.
Heute ist das ganz anders.
Der Mächtigste sitzt im Fond seines großen Wagens, und niemand sieht ihn. Der Wagen ist besonders elegant, eine gute Marke; auf der dunklen Tür stehn ein paar kleine Buchstaben, das ist alles. Der drin sitzt, kontrolliert vielleicht den Petroleumbedarf der halben Welt, aber eine goldene Kutsche hat er nicht. Der drin sitzt, kann Krieg machen und, wenn es das Geschäft so mit sich bringt, Frieden — aber Straußenfedern hat er sich nicht auf den Wagen gesteckt. Er besitzt dein halbes Land, und du siehst es nicht; du weißt es gar nicht. Wahre Macht ist anonym. Wenn sie draußen Steine werfen und irgendwelchen kleinen Übeltäter an die Laterne haben wollen, dann lächelt der drin im Wagen. Er weiß es besser. Ihn kennen nur wenige. Wenn er sehr klug ist, kennen die Zeitungen nicht einmal seinen Namen.
Daher man es denn früher mit den Revolutionen einfacher hatte: die Symbole waren so schön bequem. Ein Kaiserschloß; die Bastille; goldene Kutschen — bitte nur zugreifen. Heute…?
Deutschland, Deutschland über alles.
Ein Bilderbuch von Kurt Tucholsky und vielen Fotografen.
Montiert von John Heartfield. Neuer Deutscher Verlag, Berlin 1929.
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