auch schlafen ist eine form der kritik

Palin: Just like clean coal

Transcript: Gov. Sarah Palin At The 2008 RNC

Puh. Die Rede Obamas auf der DNC war, ausschließlich im Kontext betrachtet, natürlich eine wirklich gute. Bei genauerem Lesen offenbarte sich bisweilen eine ziemlich dumpfe Rhetorik, aber sei es drum– der Kontext eben. Die Vize-Nominierte Palin hielt gestern wiederum ihre Rede auf der RNC. Und denkst, plumper geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Republikaner her.

Zwei Dinge hat die Rede hauptsächlich bestätigt. Zum einen, dass Politik als solche egal ist; dass stattdessen Geschichten zählen. Zum anderen, dass durch die Wahl Palins und der von ihr verwendeten Rhetorik folglich die weibliche Wählerschaft prominent anvisiert werden soll. Palin verwendet einen ungewöhnlich hohen Anteil ihrer Rede auf den persönlichen Werdegang, ihre Familie, ihr Umfeld. Macht zweifach Sinn: die Dame war bis vor ein, zwei Wochen der Mehrheit vollkommen unbekannt, da muss entsprechend aufgeholt werden. Und zugleich kann man diese nötige Pflichtkür verwenden, um sich gleich bei mehr als einer, aber vor allem bei der anvisierten, Zielgruppe emotional einzugraben. Das ist in seiner Plumpheit trotz allem schon nett gemacht:

[McCain] He’s a man who wore the uniform of this country for 22 years and refused to break faith with those troops in Iraq who have now brought victory within sight. And as the mother of one of those troops, that is exactly the kind of man I want as commander in chief. I’m just one of many moms who’ll say an extra prayer each night for our sons and daughters going into harm’s way.

Darauf folgt die schon erwähnte, aus Sicht politischer Themen wertlose, „Das ist meine wundervolle Familie. Wir sind so wie ihr“-Runde und schon hat man nicht nur die Neocons im Sack, sondern zugleich auch womöglich Sympathien auf anderer Seite geschaffen. Nach der Familie also ist die Beweihräucherung der eigenen Fähigkeiten an der Reihe, welche Palin mehrheitlich von der Gegenseite abgesprochen werden. Dabei setzt sie ganz früh an:

I was just your average hockey mom and signed up for the PTA because I wanted to make my kids‘ public education better. When I ran for City Council, I didn’t need focus groups and voter profiles because I knew those voters, and knew their families, too. Before I became governor of the great state of Alaska, I was mayor of my hometown. And since our opponents in this presidential election seem to look down on that experience, let me explain to them what the job involves.

(Nebenbei: Hockey scheint Fußball als Signal- und Stichwort abgelöst zu haben. Nun also hockey moms. Soccer moms sind wohl von gestern)

Na endlich! denkt man, jetzt wird sie ihren Kritikern schon zeigen, warum auch der Posten der Bürgermeisterin eines kleinen Ortes sie sogleich für das Amt der Vize-Präsidentin qualifiziert.

I guess a small-town mayor is sort of like a „community organizer,“ except that you have actual responsibilities. I might add that in small towns, we don’t quite know what to make of a candidate who lavishes praise on working people when they are listening, and then talks about how bitterly they cling to their religion and guns when those people aren’t listening.

… Ich weiß ja nicht, wie es andere Leute sehen, aber: wo war da eine Erklärung? Nicht nur, dass sie damit gegen Obama wettert (ein ehemaliger „community organzier“), nein, sie fährt ebenso noch Leuten wie Martin Luther King, Jesse Jackson und Co. gehörig an den Karren. Also Leuten, die soetwas wie Verantwortung natürlich weder kannten, noch gelebt haben. Steht also in ihrem Vokabular „Erklärung“ synonym für Angriff? Vermutlich, wenn sie es sich nicht nehmen lässt, gleich darauf ein ums andere Mal den Finger auf die Wunde einer vermeintlich-elitäre Spaltung zu drücken; Obama hierbei als Sinnbild. So spricht man die Zielwählerschaft an und ihr zeitgleich etwas ab.

If a guy is a good neighbor, if he puts in a day, if every once in a while he laughs, if every once in a while he thinks about somebody else and above all else if he can find his way to compassion and tolerance then he’s my brother and I don’t give a damn if he didn’t get past finger painting. What I can’t stomach are people who are out to convince people that the educated are soft and privileged and out to make them feel like they are less than, you know, „He may be educated but I am plain-spoken like you.“ Especially when we know that education can be the silver bullet– for crime, poverty, unemployment, drugs, hatred.

Bartlet. The West Wing. 3×14 – „Hartfield’s Landing“

Politische Ansichten, Überzeugungen und Zielsetzungen sind neben all diesem ideologischen Gebrabbel recht selten. Wenn es dann doch einmal darum geht, offenbart sich Palin geradezu. Zur Politik als Ganzes äußert sie sich und philosophiert mit Hilfe des Phrasenschweins. Man wolle ins Weiße Haus aus dem richtigen Grund, denn Politik sei nicht nur ein Spiel von gegensätzlichen Parteien und Interessen. Dieser Grund bestehe darin, den Status Quo herauszufordern, dem Allgemeinwohl zu dienen und die Nation zu verbessern. Den Status Quo hinterfragen und herausfordern? Wirklich? Was man alles als Marionette, Sprachrohr und Ehefrau der Energieindustrie (insbesondere der Ölindustrie, dieser ewige schwarze Status Quo) sagen kann, ohne dabei vor Scham und hoffensichtlicher Heuchelei im Erdboden zu versinken. So posaunt Palin dann also auch eine wirklich handfeste Absicht heraus:

Starting in January, in a McCain-Palin administration, we’re going to lay more pipelines … build more nuclear plants … create jobs with clean coal … and move forward on solar, wind, geothermal and other alternative sources.

Mehr Pipelines, mehr Atomkraftwerke, mehr Jobs durch saubere Kohle. Also geradezu ein Paradies; im Satzaufbau wie im richtigen Leben: Alternativen kommen erst ganz zum Schluß.


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