auch schlafen ist eine form der kritik

Von der Presse zum Tropfen

Der Umzug ist also vollbracht. Die Wortpresse wurde gegen den Tropfen ausgetauscht und die Farbe glänzt noch feucht an den Wänden.
Eigentlich ein wirrer Entschluss, dieser Umzug. Denn wenn man darüber nachdenkt, habe ich ein auf das Bloggen spezialisiertes System gegen ein mächtigeres Allround-System eingetauscht um… ja, um weiterhin zum größten Teil schlicht zu Bloggen. Aber ich will ja überhaupt schon ein bisschen mehr haben und nutzen, als einfach „nur“ ein Blog. Ohne mich dabei jedoch von dieser Grundform übermäßig weit zu entfernen.

WordPress ist gut, wenn man schlicht bloggen möchte. Auch ist es wunderbar geeignet für Freizeitschrauber wie mich. Man muss kein PHP-/HTML-/CSS-Experte sein, um fix beabsichtigte Modifikationen unterzubringen. Man muss nicht allzu tief im System versinken um relativ schnell individualisieren zu können. Das ist zugleich aber auch das Kreuz an der ganzen WordPress-Sache: Es ist eben ein spezialisiertes System, dass zwar vermehrt CMS-Ansätze bietet, sich aber in dieser Hinsicht im Grunde nicht von seinen Blogwurzeln zu weit entfernen kann.

Inhalte, Inhalte, Inhalte

Was aber, wenn man das Blog erweitern möchte? Wenn man neben den „regulären“ andere Inhalte einschließen möchte? Buchrezensionen, Links, Twitter-ähnliche Kurztexte, was auch immer? Man hätte in WordPress zwei Möglichkeiten: a) man würde sie einfach wie gehabt hinzufügen oder b) sie auslagern, d.h. in eine eigene Datentabelle oder dergleichen. Die erste Möglichkeit wäre – allein der Einheit halber – vorzuziehen. Soweit so gut, aber wo bleibt dann die Trennung? Die klare Definition (und wenn es nur die Definition für sich selbst ist) dieser Inhalte? WordPress kennt genau zwei Inhaltstypen: Blogposts und Seiten. Unterscheiden und Zuordnen kann man diese einzig mittels peripherer Merkmale wie Kategorien und Tags. Das funktioniert zwar und ist sicherlich eine legitime Vorgehensweise, aber letzten Endes doch recht unschön. Weil Umwege für die weitere Trennung dieser Inhalte von den regulären gegangen werden und mitunter Inhaltsformate, für die ein eigener Inhaltstyp idealer wäre, unweigerlich in das WP-Korsett gezwungen werden müssten. Bei Möglichkeit Nummer zwei umginge man im Prinzip das WordPress’sche Dach und würde Inhalte, die eigentlich zur Seite gehören, aus eben dieser auslagern — zwei separate Datensätze mit Inhalten, die doch zum gleichen Gesamtkonstrukt gehören sollten. Unschön.

Drupal hingegen ist auf genau solche Situationen ausgelegt. Inhaltstypen können klar definiert, erweitert und hinzugefügt werden. Man kann Inhalte also „trennen“ und beispielsweise für sich selbst oder den Nutzer individuell definieren, ohne sie mitunter aus dem eigentlichen System notgedrungen lösen zu müssen.

Flexibilität in der Versteinerung

Nun hat aber diese Flexibilität Drupals einen Preis. Einen wirklich, wirklich, wirklich paradoxen Preis. Zum einen läuft bei Drupal alles, aber wirklich alles, unter dem System, wird von Drupal kontrolliert. Einerseits erleichtert das viele Dinge (eigene Alias-Pfade definieren ist in Drupal Zucker, in WordPress ein kleiner Krampf), bringt andererseits jedoch unweigerlich eine Starre mit sich:

Will man in WordPress etwas verändern, beispielsweise die Syntax eines Formulars, eines Postings oder dergleichen, dann muss man lediglich (und in den meisten Fällen) an genau einer Stelle ansetzen, die gewünschten Änderungen vornehmen und schon hat man das gewünschte Ziel erreicht.

Drupal macht es einem mit dem bisweilen mehrfach verschachtelten modularen Aufbau, gerade als WordPress-Umsteiger, nicht ganz so leicht. Will man zum Beispiel das Markup eines Formulars (sagen wir mal, das des Kommentarformulars) gezielt verändern, dann muss man gleich an mehreren Punkten ansetzen: Der eigentliche Formularinhalt. Dieser wird modifiziert, indem man sich per PHP-Funktion (xxxformalter) in die Formulardaten einklinkt bevor sie Drupal ausgibt, sie dort entsprechend den eigenen Wünschen verändert und diese Veränderungen wiederum Drupal zurückgibt, damit es daraus das Formular bastelt. Nun setzt aber Drupal voreingestellt über das Kommentarfeld eine liebliche „Post new comment“-Überschrift. Um diese zu streichen, muss man eine neue Funktion (xxx_box) nutzen und verändern, welche (u.a.) vor der Ausgabe des Kommentarfeldes angewandt wird. Will man umschließendes Markup bearbeiten, gibt es zusätzlich noch diverse Templatedateien, die aber wiederum nichts mit z.B. jener Titelvergabe zu tun haben (obwohl es sich gerade hier anbieten würde, diese zwei Sachen hier zu vereinen) … und so weiter und so weiter. Drupal macht es also demjenigen nicht gerade leicht, der ganz eigene Vorstellungen vom passenden Markup hat oder nicht ständig d’accord mit den Standardausgaben gehen möchte.

Das ist eine Schwachstelle von Drupal. Es ist aus Nutzersicht ein kleines Ärgernis. Drupal bräuchte (will man gerade Neulinge und Umsteiger ansprechen und den Umgang erleichern) einen einheitlichen Layer, eine vereinte Anlaufstelle, um all diese unterschiedlichen modularen Schichten in einem Rutsch ansprechen und gegebnenfalls modifizieren zu können. Hauptaugenmerk und Ziel eines CMS – eines jeden Publikationssystems – muss das namensgebende Publizieren sein. Natürlich kann ich auch nach der Drupalinstallation im Prinzip sofort loslegen und meine Inhalte veröffentlichen. Aber der Weg hin zur Individualisierung des eigenen Systems ist im Gegensatz zu WordPress bei Drupal nicht so geradelinig und beschwerlicher. Eine Art Kompromiss in Form eines oben erwähnten Layers aus drupalschem modularem Aufbau und der wordpress’schen „One-Edit“-Methode wäre wünschenswert.

Daher gilt bei Drupal gerade für Umsteiger „Chaos zu Beginn“. Drupal erschlägt geradezu mit seinen APIs. Im Gegenzug herrscht aufgrund dieser One-Edit-Vorgehensweise bei WordPress – und bei WP ist nun wirklich, das muss man zugeben, vieles nicht Gold, was glänzt – in meinen Augen ständig ein (potentielles) „Chaos immerfort“ vor. Eben weil man soviele Dinge in eine WordPress-Installation reinknüppeln kann, welche zwar mit dem System funktionieren, von diesem aber formal vollkommen losgelöst sind.

Während der Einstieg bei WordPress für den Nutzer gelungen ist, versagt das System dann, wenn man auch nur ein bisschen mehr will und sich dafür tiefer unter die Oberfläche begeben muss. Drupal versagt beim Einstieg, bei der Lernkurve neuer Nutzer, hingegen fast auf ganzer Linie – bietet dafür aber unter der Oberfläche im Vergleich eine solidere Architektur. Nur, wie oben geschrieben, schaut da momentan leider auch nicht alles so goldig aus.


12 Antworten

  1. dropmeister

    die Drupal Lernkurve sieht so das man ein halbes Jahr braucht um die Module zu suchen die man will, und das nächste halbe Jahr verbringt man damit das Zeug aus dem Code zu entfernen den man nicht will 🙁

  2. fym

    Und das unterscheidet sich von all den WordPress-Plugins inwiefern?

  3. Als erstes: Danke! Dein Umzug hat mir in vielen Teilen neue Einsichten verschafft und an vielen anderen Stellen die Betriebsblindheit genommen. Ich freu mich schon drauf, dass wir jetzt wieder auf der gleichen Plattform bloggen und das Semantic Weblog muss sich ja weiterentwickeln!

    @Inhalte, Inhalte, Inhalte: Das ist der Punkt, den ich an WordPress eben nicht verstehe. Es wäre sooo einfach, dort auch benutzerdefinierte Post-Typen (as opposed to „Node-Typen“) einzuführen. WordPress kennt ja selber intern auch schon mehr als Post und Page, nämlich Attachments. Aber sie machen es nicht, warum auch immer. Und das hat mich damals maßlos geärgert.

    Was ich bei WordPress nicht verstehe, ist das sklavische Festhalten an der Abwärtskompatibilität. Drupal hat das noch nie gemacht und fährt gut damit. Würde WordPress mit einem der kommenden Releases seine Framework weitestgehend austauschen und modularer und sauberer Aufbauen, ohne die bestehenden APIs kaputt zu machen (was gehen sollte, soweit ich das beurteilen kann) … was für ein Fortschritt das wäre!

    Was man nicht ganz außer Acht lassen sollte: Du hast Dich viel mit dem Rendering rumgeschlagen. Die Drupal-Community weiß, dass das ihre Achillesverse ist. Die großen Drupal-Agenturen bieten regelmäßig kostenlose Themeing Seminare an, um diesen Schmerz zu lindern. Was Modulentwicklung angeht ist Drupal aber Zucker. Insbesondere für den Entwickler, der am liebsten nicht eine einzige Zeile HTML schreiben will. Nackte Funktion – das kann Drupal.

    Ein weiterer schöner Punkt: Man kann ja nicht nur den kompletten Rendering Layer austauschen, sondern überdies über Module und API das Rendering erheblich vereinfachen. Ich habe schon haufenweise Funtkionen geschrieben, die das machen. Vielleicht sollten wir das mal zusammenführen

    Abschließend: WordPress und Drupal erinnern mich ein bisschen an Mac und Linux in den 90ern. Mac hatte noch kein Unix unter der Haube und niemand hatte eine Ahnung, was da eigentlich passiert. Aber es sah schick aus und ließ sich nett benutzen. Linux war supermächtig, aber man musste schon eine Shell bedienen können. Das Defizit des einen war die Stärke des anderen.

  4. fym

    ben_: Jap. „Das Defizit des einen [ist] die Stärke des anderen“ fasst das, was ich da oben im Halbschlaf zusammengekritzelt habe und meinte, schön zusammen. Die beiden Systeme könnten sich soviele nützliche Dinge voneinander abschauen, ohne dabei zwingend ihre jeweiligen, zugrundeliegenden Philosophien ad acta legen zu müssen.

    Jap² @ Rendering. Und ich schlage mich weiterhin damit herum 😉 Eine Frage meiner besserenbesten Hälfte die Tage – wo denn plötzlich die Blogoffs hin seien/wo sie denn nun zu finden seien – hat mir das erst richtig bewusst gemacht: Denn da nun alles hier unter einem Dach vereint ist, ist es wohl bitter nötig, den Einstiegspunkt dieser Seite zu überarbeiten. Das alles allein als unterschiedliche Feeds anzubieten reicht da eben nicht wirklich. Daher versuche ich mich gerade an einer Startseite, die Überblick bietet. Bin mir aber noch nicht sicher, wie ich das a) bewerkstelligen (per Modul und eigenem „Template“?) und b) strukturieren soll und schiele momentan noch sehr auf deine Startseite. Hm.

  5. fym

    So, ab jetzt: Chaos auf der Startseite. Überblick gibt es ein wenig, strukturiert ist es kaum und schaut dazu noch seeeehr gewöhnungsbedürftig aus – aber ‚dammt, es ist da, steht und freut mich doch ein bisschen.

    Und extra für ben_ gibt’s damit jetzt sogar ein paar mehr Teaserbilder (wenn auch viel zu klein, schon klar) an prominenterer Stelle ;]

  6. Kuhl. Gerade erst entdeckt, die neue Startseite. Mann, mann, mann Du macht echt vieles besser als ich.

  7. Was mich auch noch interessiert: Wie sieht dein Admin Interface aus? Also insbesondere node/add/story ?

  8. fym

    Das bezweifel ich wirklich, dass ich vieles besser mache. Das grenzt hier alles immer noch an ein kleines Chaos.

    Da ich Garland als Verwaltungstheme benutze, sieht es wohl nicht besonders aus (irgendwo ein kleines Tutorial, wie man am besten Themes auch für den Adminbereich umschreibt, wäre praktisch. Aber ich bezweifel, dass das leerraum-Theme dafür soooo geeignet wäre). Darüberhinaus sicherlich chaotisch, weil durch die Module, CCK-Felder und Co. doch schon einiges an zusätzlichen Eingabefeldern hinzugekommen ist.

  9. Naja. Deine Startseite sieht ja schon mal viel besser aus als meine. Da gibt’s nicht viel dran zu rütteln, wie ich finden muss.

    Ah. Du nutz ein extra Admin-Theme. Ich Administriere ja immer im gleichen Theme. Auch wenn das vielleicht ein bisschen krank ist. Irgendwie habe ich immer noch den Anspruch, dass ich das Theme auch von anderen als mir eingesetzt werden kann. Hach merkwürdige hin-und-hergerissenheit Drupals.

    Die CCK-Felder interessieren micha ber schon. Magste mal nen Screenshot machen und dranhängen?

    Ich bin ja echt gespannt, was beim Drupal7UX Team rauskommt. Überhaupt bin ich auf D7 sehr gespannt. Mann, mann, mann.

  10. fym

    Die Anordnung der einzelnen Bereiche auf der Startseite muss ich aber noch verändern. Die Kommentarliste hat zu wenig Platz, die Lesezeichen könnten auch mehr vertragen. Irgendwann sollen da auch noch Topics und Co. irgendwo untergebracht werden und und und.

    Apropos: Wenn du inzwischen das SW-Modul modifiziert haben solltest, könntest du mir das bei Gelegenheit zukommen lassen? Unter anderem wollte bei mir ja der Association-Inhaltstyp in meiner derzeitigen Version nicht so recht. Und überhaupt würde ich gerne mal wissen, wie du das alles bei dir so nutzt. Blick hinter die Kulissen und so. Meine eigenen Versuche letztens haben nicht wirklich gefruchtet (was vielleicht aber auch an obigen Problem liegen kann).

    Das Admin-Theme… du, das ist nicht krank. Die Verschmelzung von Front- und Backend – das liebe ich, seit ich Drupal das erste mal installiert habe. Und ich erblasse vor Neid, wenn ich sehe, wie das konnexus bei sich zusammengeführt hat. Diese offensichtliche Trennung fand ich bei WordPress immer unschöner. Ich würde ja auch das Theme hier für den Adminbereich benutzen, wenn ich könnte. Wenn ich zum einen wüsste, was dafür alles nötig ist und zum anderen da nicht sofort wieder ein Rattenschwanz an Anpassungen, Umschreiben und Co. dranhängen würde. Ich und Drupal-Rendering, du verstehst 😉

    @CCK-Felder:
    CCK-Felder

    Nichts besonderes. Bis auf field_bookisread und field_favpost sind alle lediglich reine Textfelder.

    Jap, auf D7 bin ich nun auch gespannt. Auch wenn mir der Gedanke an das Umschreiben/Anpassen, z.B. wohl der meisten SQL-Queries, schon jetzt Schweißperlen auf die Stirn zaubert 😉

  11. fym

    Ach ja, und die gesamte add/story-Seite. Chaos, ich sag’s ja.

  12. fym

    Der Gammeltag ist fast rum. Vier Ergebnisse:

    – Startseite nochmal dezent überarbeitet.
    – Die Seite eines einzelnen Eintrags überarbeitet: Teaserbilder werden angezeigt, die back & forth Navi wurde geändert.
    – Funktion zur Benachrichtigungen über neue Kommentare integriert und somit wieder vorhanden.
    leerraum-Theme went admin

    ben_: Die gesamte add/story-Seite schaut übrigens nun so aus.

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