auch schlafen ist eine form der kritik

Kinderpornographie verwässert

Bundesfamilienministerin von der Leyen will die „Datenautobahn der Kinderpornographie“ schließen, indem sie die Access Provider ein Filter- und somit Sperrsystem installieren lässt. Also muss es richtigerweise heißen, dass die deutsche Datenautobahn der Kinderpornographie geschlossen werden soll. Das sogenannte Access-Blocking sei laut Bundesregierung „ein schnell einsetzbares und geeignetes Mittel […], um effektiv gegen kinderpornografosche Seiten vorzugehen und Schutzmechanismen aufzubauen.“ Beteiligt sind an den Gesprächen mit jenen Access Providern von der Leyen selbst, Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Jörg Ziercke.

Das ist natürlich Schwachsinn, klar. Sperrung war noch nie adäquates Mittel, um irgendeinenen bedeutenden Unterschied zu machen. Und das nicht nur, weil die technischen Hürden letztlich keine sind und relativ einfach überwunden werden können. Wie sehr das alles eine riesengroße Blendgranate ist, verdeutlichte nicht zuletzt wunderbar der bekannt-krakeelende sächsische Innenminister Uwe Schünemann (man erinnere sich) vor einigen Wochen, welcher ohnehin auf jeden fahrenden Zug aufspringt:

„Die Sicherheit im Lande und Ordnung in den Städten schaffen“, nennt die Homepage des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann als Hauptziele. Mit seinem gestrigen Vorschlag geht der CDU-Mann noch einen Schritt weiter. Er will die Monitore auf bundesdeutschen Computerbildschirmen sauberhalten: „Wir verbannen Kinderpornografie im übertragenen Sinne wieder unter den Ladentisch“, so Schünemann gestern gegenüber der Presse in Hannover.

heise

Man verhindert die Produktion nicht, greift nicht zusätzlich an den Quellen an, es soll einfach nur öffentlichkeitswirksam aus der Öffentlichkeit (welcher überhaupt?) verschwinden. Den „übertragenen Sinn“ hätte er sich also auch sparen können.

Dass nun mit einem solchen System die Grundlage für spätere umfassende Blockade- und Zensur-Maßnahmen, welche thematisch nichts mehr mit solchen Totschlagargumenten wie Kinderpornographie zu tun haben müssen, geschaffen wird- über diese Bedenken hin legt von der Leyen eine fast schon pathologisch wirkende Gleichgültigkeit an den Tag:

Bedenken, ein solches System könnte auch als Zensurinstrument für andere Themen und Inhalte eingesetzt werden, wollte von der Leyen nicht gelten lassen: „Wir dürfen das Thema nicht verwässern.“ Kinderpornografie sei als Thema und Problem „klar abgrenzbar“. Sie könne jedoch nicht ausschließen, was „künftige Bundesregierungen“ für „Wünsche und Pläne entwickeln“.

SpOn

Wer „verwässert“ hier bitte Themen? Und: „Künftige Bundesregierungen“ – wenn es wenigstens nur das wäre. Denn: in related news macht sich Bundesjustizministerin Zypries „für einen weiteren Ausbau des Urheberrechts“ stark. Nichts Neues. Man kennt das ja: Urheberrecht ist letztlich Verwertungsrecht. Der Industrie. Die dürfte über ein solches umfassendes Sperrsystem dann nicht wirklich betrübt sein.

„Wir brauchen zwei, drei Mutige, die vorangehen, und die gab es bei dem Treffen“, sagte die CDU-Politikerin am heutigen Donnerstag in Berlin. Es gehe um ein gemeinsames Zeichen von Politik und Internetwirtschaft, dass „wir Kinderpornographie ächten“.

Familienministerin: Provider machen mit beim Sperren von Kinderporno (heise)

Es geht um zeichenhafte, wertlose Symbolik. Und bitte, wenn ich noch einmal diese Phrase höre… Ich gehe als Bürger schlicht davon aus, dass die Regierung, die Strafverfolgung und Richterlichkeit meines Landes Dinge wie Kinderpornographie „ächtet“. Ihr müsst kein verdammtes Zeichen setzen, dass doch nur vorgeschobene Scheinbegründung ist. Verurteilen Richter jeden Täter mit den zusätzlichen Worten: „Als Zeichen, dass wir Straftaten ächten“? Nein, warum auch? Sort of a given…

 

Was ihr hingegen durchaus einmal machen könntet, wäre, ein gemeinsames Zeichen zu setzen und Taten folgen zu lassen, die beweisen, dass ihr Demokratie und Freiheit schätzt und dem entgegenstehende Dinge wie Freiheitsbeschränkung, Fremdbestimmung durch Interessengruppen der Industrie sowie Zensur ächtet.


Eine Antwort

  1. Pingback

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert