auch schlafen ist eine form der kritik

Der Inhalt ist Produkt. Muss es einfach sein.

Spore, diese Tage veröffentlicht, befand sich seit rund 8 Jahren in der Entwicklung. Spieledesigner Will Wright (u.a. die SimCity-Reihe) hatte Großes vor, sozusagen ein modernes Mashup und eine Erweiterung seiner Spiele SimLife und SimEarth, weshalb der Vorabhype nicht ganz unbegründet war. Ab dem 4. September war es dann soweit, der Titel wurde innerhalb von vier Tagen weltweit veröffentlicht. Kritik heimste er bzw. der Hersteller EA zuhauf ein, nicht inhaltlich, sondern für die Implementierung diverser DRM-Mechanismen. Unter anderem kann das Spiel nur dreimal installiert werden, für jeden weiteren Versuch ist ein Telefonat mit EA nötig. Darüber hinaus wird für jeden Internetzugriff eine Authentifizierung benötigt, was bei einem Spiel wie Spore gerade einen wichtigen Teil der Spielmechanik ausmacht.

Vorgestern dann überraschenderweise auf torrentfreak.com zu lesen:

The game itself has blown away the people who have played it, but the DRM encouraged thousands to get their copy illegally. Already Spore has been downloaded more than 500,000 times on BitTorrent, and this number is increasing rapidly. […] This download rate exceeds that of any other pirated game in history, and in a week or two from now it will be the most pirated game ever on BitTorrent.

Nun ist es natürlich ein wenig reißerisch, zu sagen, dass allein die restriktiven Kopierschutzvorrichtungen für die Zahl der Downloads verantwortlich gemacht werden können. Der Autor schreibt es selbst. Doch die Masse an Downloads suggeriert, dass es eben doch eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt hat. Von daher ist die Überschrift des Eintrags durchaus legitim– „Spore: Most Pirated Game Ever Thanks to DRM“.

Alte Brocken

Ich werde nie verstehen können, wieso sich die Industrie so eisern an ihren Prinzipien festklammert, wenn es doch inzwischen selbst für den größten Scheuklappenträger offensichtlich ist, dass das Vorhandensein des Netzes mit allen Möglichkeiten andere Denkansätze verlangt. Man legt den potentiellen Kunden alte Steine in den Weg, indem man ganz industriegerecht meint, das Produkt sei nur in seiner Gesamtheit das Produkt. Will heißen: Alles daran gehört beschützt und man zahlt für das ganze Paket. Diese Gesamtheit soll Anreiz sein. Entweder man kauft oder man bekommt genau nichts. Kein Raum für Zwischenlösungen.

Das beißt sich natürlich unweigerlich mit dem Umstand, der das Netz erst hat groß werden lassen. Die kostenlose Verfügbarkeit von, sowie der schnelle und bequeme Zugriff auf Informationen/Daten. Jeglicher Art. Was nun, gerade auf Seiten der Industrie, bei solchen Überlegungen an erster Stelle aufstößt, ist dieses „kostenlos“. Darauf wird sich wohl bei der Ablehnung neuer Wege versteift. Dabei ist gerade das nicht entscheidend. Die Verfügbarkeit ist es, der damit einhergehende Gedanke des Zutritts und der — zumindest partiellen — Offenheit. Man kann dank des Netzes immer weniger mit diesen in ihrer Gesamtheit geschlossenen Paketen, diesen All-Produkten, anfangen. Warum also daran festhalten?

Weniger ist mehr

Man muss noch nichtmal unglaublich neue Wege gehen. Muss das Rad nicht neu erfinden. „Sins of a Solar Empire“ sowie der „Vorgänger“ „Galactic Civilizations II“ sind als Veranschaulichung geradezu prädestiniert. Der Hersteller, ein relativ kleines Studio, entwickelte die Spiele, dabei immer die Wünsche der Spieler im Sinn. Das Ganze kostete weniger als eine Million Dollar. Wie schon einmal geschrieben, verzichtete der Hersteller ebenso auf jegliche Mechanismen für den Kopierschutz, es gibt keinen CD-Key, keine Serial. Wer mochte, konnte und kann sich also eine illegale Kopie besorgen und spielen. Das Spiel, es verkaufte sich rund eine halbe Million mal (ca. 400.000 regulär in der „Atom-„, ca. 100.000 in der „Bit-Ökonomie“). Was hat der Hersteller also unter anderem richtig gemacht? Er hat den Kunden nicht nur nicht als potentiellen Raubkopierer gesehen, er hat ihm Zutritt gewährt, Offenheit bewiesen. Wer nicht bezahlt, der kann trotzdem spielen. Wer allerdings zahlt, der bekommt Support, wird mit Updates, Verbesserungen und Erweiterungen für das Spiel entlohnt. Im Prinzip ist es nicht mehr, als das alte Prinzip des Köderns, eine vollkommene Ausweitung des Demo-Prinzip. Nur: die fairste Variante. Der Anreiz liegt hier nicht in einer Gesamtheit des Produkts. Der Anreiz ist das Produkt selbst, der Anreiz ist der gesamte Inhalt. Es ist, wie der Besitzer der Herstellerfirma Brad Wardell selbst sagt, eigentlich eine völlig unkomplizierte Rechnung: wer das Spiel von vornherein illegal abstaubt, der beabsichtigte wohl in den meisten der Fällen zu keiner Zeit, sein Budget mit dem Kaufpreis zu belasten. Weitergedacht bedeutet das aber ebenso, dass stattdessen die Möglichkeit entsteht, den Inhalt vielleicht doch überzeugen zu lassen. Und das ist beileibe nicht zu weit hergeholt, denke ich.

Premium mehr als Form

Es mag der Idealist in mir sein, aber ich bin fest davon überzeugt, dass Qualität entlohnt wird. Sogar gerne entlohnt wird. Nicht von allen, klar, aber von denen, die mir als Produzent ohnehin am wichtigsten sein müssten. Man könnte sie loyale Kunden nennen und Loyalität entsteht eben nicht einfach aus purer Luft. Auf cold-heat.de stellte Christian letztens in Hinblick auf Web und Print die Frage, wer nicht bereit wäre, für Premium-Inhalte und Präsentation mehr zu zahlen? Ich würde jetzt übertragen antworten: mindestens soviele Menschen, wie solche, die nicht bereit dafür sind. Sagen wir, im konkreten Fall geschätzt, mindestens um die 500 000 rum? Denn Qualität oder eben Premium, bezeichnet letztlich nicht das rein Äußerliche. Es steht jenseits seiner Oberfläche und Form für das viel wichtigere, für eine ausgestrahlte Liebhaberei, für Herzblut und Aufopferung. Und das bemerkt das Zielpublikum. Nicht immer, aber mehr als es einem die Industrie versucht beteuernd weißzumachen.

Was wird?

Die Industrie muss von diesem unbedingten Willen, diesem verfehlten Stolz und Anspruch wegkommen, dass nur sehen und erleben darf, wer bezahlt hat. Dieser Hohheitsanspruch ist es, der nicht mit der neuen vernetzten Welt zusammenpasst. Weder bedeutet das Netz automatisch, dass alles kostenlos ist, noch, dass alles kostenlos zu sein hat. Es bedeutet schlicht Offenheit. Anstatt sich also hinter alten Mustern zu vergraben und auf alle diese neuen Umstände mit aggressiven Verhalten zu reagieren und zu versuchen, den so geliebten status quo mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beizubehalten, sollte man sich dort diese Umstände vor Augen halten. Der Kunde ist weder der Feind, noch eine Gefahr– er ist der Existenzgrund. Und es ist wie in jeder Beziehung wichtig, dem Partner mit Respekt zu begegnen. Tut man das nicht, muss man sich nicht wundern, wenn er eines Tages seine Sachen gepackt hat und verschwunden ist. Zum Beispiel in die Bit-Welt, ganz ohne Ökonomie.

Ursprünglich war geplant, dass das Spiel automatisch alle 10 Tage online erneut prüft, ob es sich bei der installierten Version um eine legale Version handelt.

Eben der im Zuge des Netzes aufkeimende „Wechsel von der Atom- zu[r] Bit-Ökonomie“, wie ben_ einmal schrieb.

via Wikidingens


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