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Stimmen

# ben_
Ich freue mich riesig. Auf den Film und über den Text. Danke!
# konnexus
Auf den Film war ich gespannt - und bin Dank Deiner Rezension, und nicht zu letzt durch den toll aufgearbeiteten Artikel jetzt noch vorfreudiger. Danke!

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»Moon«

"The energy of the sun trapped in rock, harvested by machine from the far side of the moon. Today we deliver enought clean-burning Helium-3 to supply the energy needs of nearly 70% of the planet. Who'd have thought all the energy we ever needed right above our heads. The power of the moon. The power of our future."

Sam Bell.

Der einzige Mensch auf dem Mond.

Als Angestellter der Lunar Industries Ltd. ist er auf der dortigen Basis namens Sarang 3 Jahre lang mit dem reibungslosen Abbau des so benötigten Helium-3 betraut. Aufgrund einer Fehlfunktion des Kommunikationssatelliten ist nur sporadischer Kontakt zur Erde und seiner Frau möglich, immer in Form von Videoaufzeichnungen, welche von GERTY verwaltet werden. GERTY ist Sarangs künstliche Intelligenz, Hilfe für einfache mechanische Arbeiten und zugleich Sams einziger Ansprechpartner, wenngleich er wirklichen menschlichen Kontakt nicht ersetzen kann.

In 2 Wochen läuft Bells Vertrag mit Lunar aus, da gerät er während einer Routinearbeit außerhalb der Basis in einen Unfall, bei dem er das Bewusstsein verliert. Sam wacht jedoch unversehrt kurze Zeit später wieder in den Räumlichkeiten Sarangs auf.

when it's quitting time

Die zuerst aufgeschnappten kurzen Ausschnitte damals zogen mich in ihren Bann. Nicht nur, dass statt der üblichen Computereffekt-Arien altmodische Modelle zu sehen waren, welche neben dem sonstigen erkennbaren Produktionsdesign dem Film ein nicht übersehbares Retro-Ambiente verliehen— nein, auch und vor allem inhaltlich schien der Film unheimlich reizvoll. Allein dieses Bild: Der einzige Mensch auf dem Mond.

Die größtmögliche Isolation des Individuums. Der einsame Alltag vor grauen Mondlandschaften und dem entfernten blauen Planeten. Ein großartiges Bild. Zugegeben, ein simples und wahrlich nicht neues Bild zwar, aber Moon schien geradezu in Filmform übertragene, ruhige Poesie in Reinkultur zu werden.

Nachdem ich die Prämisse angelesen und den offiziellen Trailer angeschaut hatte, wurde die Vorfreude jedoch merklich ausgebremst, befürchtete ich doch, wenn nicht das Schlimmste, so doch wenigstens Bekanntes; befürchtete einen weiteren zwar legitimen, doch für mein eigenes Empfinden inkonsequenten Versuch im Bereich der Science-Fiction. Selbst mit den bekannteren und besseren Vertretern des Genres hatte ich in der Vergangenheit so meine Probleme, welche zuerst in der ursächlicheren erzählerischen Herangehensweise begründet liegen, aber zugleich direkten Einfluß gerade auf den Typus Science-Fiction in spezieller Weise haben. Umreisst man heute das Genre im Mainstream, wird darunter mehrheitlich eine Variation des Actionfilms verstanden. Damit hätte ich ansich auch zuerst einmal kein Problem, wäre diese Variante lediglich eine Teilmenge des Genres. Denn Varianz und Variation bedarf nicht zwangsläufig - wie so vieles andere - einer tiefersitzenden, unabdingbaren Sinnhaftigkeit. Doch gerade in diesem Genre und aufgrund des geballten Anteils dieser Variation muss man die Frage stellen: Inwiefern wird sie auf Dauer und in ihrer speziellen Art den Möglichkeiten ihrer vermeintlich übergeordneten Gattung gerecht?

"We all want to escape occasionally. But science fiction is often very far from escapism, in fact you might say that science fiction is escape into reality. It's a fiction which does concern itself with real issues: the origin of man; our future. In fact I can't think of any form of literature which is more concerned with real issues, reality."

Arthur C. Clarke

Harte Science-Fiction, solche, die auch einmal gegen den narrativen Strom schwimmt, ist eine Rarität gerade im Mainstream. Man nehme etwa Boyles Sunshine: Ein Film voll großartiger, existentialistischer Bilder. Unsere Sonne selbst als gesichtslose Personifikation eines; als unausgesprochener, übergroßer und doch ungreifbarer Schatten eines Antagonisten. Sie ist im Grunde jedoch nebensächlich, denn der Mensch steht im Mittelpunkt, sein Wesen wird beleuchtet; der Mensch unter seinesgleichen. Viele der großen traditionsreichen Motive des Genres sind hier zu finden. Und doch ergeben sich Regisseur und Drehbuch am Ende den üblichen Konventionen, streichen in diesem Fall die Sonnensegel glatt und schreiten einfach so den Durchschnitt ab. Die Handlung wird poetisierten Höhen entrissen; verengt sich letztlich auf ein bekanntes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Held und meuchelndem Wahnsinnigen im Stile eines Horror- bzw. Thrillerfilms und fokusiert sich allein darauf. Wenn potentiell Großes in ein Handlungskorsett und damit automatisch in Mittelmaß gezwängt wird.

wake me

Ich habe lange überlegt, was ich letzten Endes von Moon halten soll. Anhand welcher Kriterien - Konzept, Inhalt, Umsetzung, Meta-Ebene - ich mir über ihn eine Meinung bilden bzw. wie ich diese gewichten sollte. Ich habe mich festgelegt: Es ist ein großer Film. Gerade deshalb, weil er wunderschöner Minimalismus in wohltuender, beruhigender und erhebender Abwechslung ist.
Das ist eigentlich paradox. Denn ich fälle dieses Urteil gar nicht so sehr aus seinem gegenständlichen Inhalt-; will heißen: der in ihn behandelten Auseinandersetzung mit uns selbst, mit dem Mensch-Sein. Lege also nicht genau jenen Maßstab zugrunde, welcher gute, harte Science-Fiction erst zu der großen (und so wenig be- und vor allem geachteten Gattung) erhebt, zu der sie unzweifelhaft berufen ist.

Nein, ich schätze an ihm vielmehr das gefühlte Durchbrechen gängiger Konventionen. Das Zuwiderlaufen üblicher Sehgewohnheiten. Denn auf einer seiner Ebenen ist der Film ein wirkungsvoller und unaufgeregter Twist bekannter Traditionen. Und das weiß er selbst auch ganz genau. Er bietet Homage und Anspielung (allen voran Kubrik & Scott), nur um sie uns als Zuschauer direkt wieder mit ruhig geführter Hand kräftig über und in den Schädel zu streichen. Das Drehbuch spielt gekonnt mit unseren Erwartungshaltungen:

Der Klon-Aspekt der Geschichte — in jedem anderen Film ein potentieller "großer Twist" gegen Ende, wird er hier in weniger als einer halben Stunde explizit für jeden offenbart, der nicht schon vorher auf den Gedanken kommen konnte oder wahlweise zuvor den Trailer nicht gesehen hat. Was bei solch früher Auflösung das Todesurteil für viele Filme bedeuten würde, könnte bei Moon für den Ablauf nicht unbedeutender und damit zur Grundkonzeption passender nicht sein. Dazu gehört auch, dass dieser Teilaspekt niemals droht, zu einer klischeebeladenen Variante des bösen Zwillings zu verkommen. Zwistigkeiten, typisches menschliches Verhalten - ja, zu Beginn vielleicht. Aber eine Verknappung auf einen typischen Ablauf "Gut gegen Böse" - nie und nimmer. Die beiden Klone agieren letztlich mit- statt gegeneinander.

GERTY — ist in seiner Grundkonstitution, Darstellung und Präsenz der wenigen vorhandenen Charaktere der deutlichste Verweis auf Kubrik. Die farbig unterlegte Kameralinse wurde hier mit einem Bildschirm für Smileys erweitert, an dem zudem noch Postits kleben. Herrlich. Seine Rolle ist trotz oder gerade wegen aller Verweise und Anspielungen nicht antagonistischer Natur. Ganz im Gegenteil. In GERTY findet man innerhalb seiner Parameter den aufrichtigsten und fast schon naivsten Charakter des ganzen Films. Seine Programmierung ist eindeutig, als nicht-menschliche Figur hat GERTY gerade nicht mit Widersprüchlichkeiten und Unauflösbarem zu kämpfen. Nichts ist so klar, eindeutig und unumstößlich, wie seine Programmierung.

Aber die wunderbarste Umgehung der Erwartungshaltung des Zuschauers (sofern er weiterhin an seinen Erwartungen festhält) ist der vermeintliche Showdown des Films, seine Klimax. Die Ankunft der nahenden "Rettungscrew" von Lunar Industries wird erzählerisch und visuell als Konflikt und vor allem direkte Konfrontation stärker und stärker suggeriert, heraufbeschworen und angetrieben. Nur um schlußendlich gerade nicht stattzufinden. Drehbuch und Regisseur fallen hier nicht in die genre-übergreifende Falle, wie unzählige Verfilmungen zuvor. Es gibt einfach kein Aufeinandertreffen, keine direkte Action, so dass es eine Freude und Wohltat ist. Was vorher galt, wird bei Moon auch auf dem Höhepunkt der Handlung und des Spannungsbogens nicht ad acta gelegt: Die in Isolation vollzogene (hier wortwörtliche) Auseinandersetzung mit uns selbst. Und dafür reichen Moons zweieinhalb Hauptcharaktere vollkommen.

this dream

Moon ist das, was Science-Fiction in Filmform sein kann; das was Science-Fiction inmitten der (inzwischen gänzlichen) Action-Hauptkategorie a la Star Wars, Star Trek, Avatar und Co. noch immer zu selten ist und das, was es in ideeller Verblendung vielleicht mehrheitlich sein sollte.

Moon ist schön-schlicht.
Moon ist menschlich.
Moon ist Science-Fiction.

I hope life on Earth is everything you remember it to be.

~ Am 12.12.2009

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