auch schlafen ist eine form der kritik

billig denken zwecks verlag (bdzv)

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hatte seine Jahrespressekonferenz. Ein Teil der Bezeichnung jener Dachorganisation kommt nicht von ungefähr, schließlich bedeckt ein Verband gemeinhin schützend eine Wunde. Manchmal ist sie großflächig und mag einfach nicht heilen. BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff spricht also gemäß seiner Stellenbeschreibung anlässlich der Pressekonferenz viel und sagt doch lediglich beschwörend: Es tut nicht so weh, ich bin nicht verletzt, es ist nicht so schlimm. Außerdem: wenn, hätte, wäre, würde…!

Es ist wie eh und je ein Jammern auf höchstem Niveau. Der Verband bleibt ungewechselt, ein wenig schmutzig und vor allem luftdicht weiterhin auf der Verletzung liegen. Wundheilung durch gutes Einreden. Man kennt sie, die üblichen Beschwörungen. Die Auflagen sinken, die Vertriebsumsätze steigen, die Werbeumsätze sinken, Google und Facebook und was es sonst nicht noch alles da draußen gibt, drängen in Märkte, die doch eigentlich den Verlegern – ja, was eigentlich? Geradezu „versprochen“? Unerhört, dass sich das Umfeld nicht an grundsätzliche kapitalistische Tugenden häl—
Ach! Das ist alles so oft wiederholt, so einseitig, schal und trotzdem so beständig.

Im Zettelkasten landet das PR-Stück trotzdem, denn während meines (wohl masochistisch motivierten?) Überfliegens der Buchstaben fiel mir eine pr-ige „Argumentations“kette Wolffs ins Auge.

Nachdem Wolff attestiert, dass einige Publikationen mittels Print, Online und mobiler Fassung nun mehr Menschen erreichen würden, führt er zur den Verlagen fehlenden monetären Nutzbarkeit dieses Wachstums aus:

Die Gratiskultur im Internet und die anhaltend inflationäre Preisentwicklung bei der Online-Werbung stellten äußerst schwierige Bedingungen dar. Gleichwohl setzten die meisten Verlage künftig auf Bezahlinhalte im Netz. […] „Bei den digitalen Vertriebsmodellen sind wir erst am Anfang“, so Wolff.

„Es geht um die zukünftige Architektur des Mediensystems“ (BDZV-Pressemitteilung)

Wieder einmal wird die verflachte, verkürzte und über-simplifizierte Mär der „Gratiskultur“ benutzt. Nennen wir das an dieser Stelle einfach mal Prämisse. Nun müsse man sich jedenfalls, laut Wolff, auf den „Verkauf der Verlagsprodukte“ konzentrieren, gerade weil der Werbemarkt online anders aussehe. Und siehe da:

Dass die Nutzer bereit seien, auch für digitale Qualitätsprodukte zu bezahlen, zeige sich beim Verkauf von Apps für Smartphones und Tablet-PCs.

Nun kennen die Teilnehmer dieser „Gratiskultur“ plötzlich Qualität. Auch digitale. Weil sie Apps kaufen, natürlich. Vielleicht ist das alles inmitten dieser freeloader ja doch noch nicht verloren.

Sogleich berichtet Wolff also davon, dass die Verlage „bereits rund 40 App-Angebote“ sowie 60 Apps für Smartphones entwickelt hätten. „Die meisten davon seien kostenpflichtig.“ Und vollkommen enthusiastisch (bestimmt, auch wenn ich nicht anwesend war) stellt er viele weitere seinen Mitverbundenen in Aussicht. Sofort im Anschluß holt Wolff aus:

Vor diesem Hintergrund seien gebührenfinanzierte Gratis-Apps der öffentlich-rechtlichen Anstalten „die Killer für ein digitales Geschäftsmodell der Presse“, erklärte Wolff. […] Es sei doch völlig klar, dass die Nutzer nicht für eine gute Verlags-App zahlten, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein ebenfalls gutes journalistisches Produkt umsonst anböte.

Wäre diese zur Schau getragene kognitive Dissonanz ein Spion, sie wüsste selbst nicht mehr, für welche Regierung sie eigentlich gerade die Drecksarbeit erledigt.

Da hangelt sich Wolff, als wäre es das einfachste auf der Welt, von der Gratiskultur zur Wertschätzung von Qualität – zurück zur Gratiskultur. Ver-rückt. Da kann man kaum hinterkommen, wollte man sich gängiger Logik bedienen.

Die Leute wollen alles gratis – aber sie sind doch! bereit für Qualität zu zahlen – aber wenn der ÖR-Rundfunk was journalistisches macht und das gratis anbietet, dann rennen sie alle nur dahin und kaufen nicht mehr unsere Produkte.

Also entweder sieht Wolff als BDZV-Hauptgeschäftsführer die „Qualität“ der Verlagspublikationen in sehr nüchternem, gar vernichtendem Licht. Oder aber—

billig denken (und vor allem reden) zwecks verlag

Das scheint das Mantra zu sein. Nicht nur, aber auch dieser Tage.


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