auch schlafen ist eine form der kritik

Bildungssitzen 2010

Ignoranz ist vielleicht ein Segen, sie ist aber mit Sicherheit für Überraschungen gut. So wurde ich gestern auf dem Weg ins verhasste Hamsterrad am Jahnplatz von der 2010’er Neuauflage des immer noch dämlich betitelten Bildungsstreiks überrascht, als mir wohltuende Klänge in die Gehörgänge strömten. Zumindest wohltuender als das, was einem dort sonst auditiv zugemutet werden kann.

Wo war ich? Ach ja, Jahnplatz. Dort also: junge und alte Menschen in Fülle, bisweilen auch mit Masse in Masse, lustige Beschallung und irgendwo, abseitig zum gefühlten Zentrum aller Massen neben dem Pizza Hut ein zum breiten Rednerpult umfunktionierter Kleintransporter irgendeiner Leihfirma. Die Straße hingegen war mit kleinen Sit-In-Inseln in Gausscher Normalverteilung übersäht. Der Sternmarsch von der Uni hat wohl so sehr ermüdet, dass die 4-5’er Grüppchen lieber sitzend ihr eigenes Ding machten. Woanders geht das ziel- und aufmerksamkeitsgerichteter vor sich, habe ich mir sagen lassen. Wenn schon Sit-In-Charakter, dann aber bitte… Für ähnlich interessierte AußenUnTeilnehmer wie mich bleibt festzuhalten: So lustig wie letztes Jahr scheint es dann doch nicht geworden zu sein. Will heißen: unaufgeregter. Muss ja auch nicht, wenn selbst die Polizeibeamten, lässig am eigenen Dienstwagen lehnend, ihren Kaffee schlürfen.

Vielleicht war es für viele Schüler die erste Demo, das erste Mal. Wie in anderen Bereichen auch, kann es da nicht völlig verkehrt sein, wenn alle mit einem Lachen nach Hause gehen. Keine Schule, mit den anderen rumgehangen, gelacht und aus die Maus. War super! Vielleicht haben die angeblich verteilten Infoblättchen der Polizei über richtiges Verhalten bei Demonstrationen gefruchtet und Schlimmeres vermieden. Als AußenUnTeilnehmer kann mich das Ergebnis jedenfalls nicht zufriedenstellen. Zu uneindeutig war das Ganze: Kein Sit-In, nicht wirklich; vielleicht ein halbes Happening, mit viel Gutmütigkeit und Abwesenheit einer Aussage?

Die Tragik an diesem lauwarmen Lüftchen einer Demo spiegelte sich für mich in den Reaktionen meines Umfeldes zu diesem Zeitpunkt wider. Was konnte ich im letzten Jahr nicht alles hören. Diese Spinner! war die knappste Reaktion damals. Mein Favorit hingegen war der längeren Versatz: Man verstehe ja deren Anliegen und es wäre auch gut so, wenn sie dafür demonstrieren, aber müssen sie den Verkehr und die Innenstadt stundenlang lahmlegen? … Und erst nach dieser unfreiwilligen Komik wurde das obligatorische „Also echt, solche Spinner!“ angeknüpft. Ich lächelte ob solcher Aussagen.

Und in diesem Jahr? Ich hörte höchstens den fernen Anflug einer Beschwerde über die „doch recht laute Musik“. Ich habe innerlich auf Stein gebissen.

Ignoranz ist ein Segen? Vielleicht. Lethargie hingegen, Lethargie scheint präferiert und viel besser. Mögen die sogenannten „Spar“pakete kommen. Der Boden ist längst bereit dafür.

Was mir übrigens jemand bei Gelegenheit erklären sollte: Warum haben Jugendliche den Sanitätsdienst übernommen? Da sind dem Aussehen nach dermaßen junge Menschen in Sanitätsmontur herumgesprungen, dass mir an Stelle der Verantwortlichen beim Gedanken an den Ernstfall ein wenig mulmig zumute gewesen wäre.


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