auch schlafen ist eine form der kritik

Wenn-Jetzt-NRW-Wahlkampf-Potpourri

Wankende Gestalten nahen, so wanke mit,
Wanke einher.
Auf ein Neues kein Entkommen.
Versätze folgen.

Jetzt, jetzt gerade ist Wahlkampf und mit jedem weiteren Tag wird ein neu-gedachtes Ausrufezeichen angehangen – Wahlkampf! Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!
Auch ein beliebtes Versatzstück: die heiße Phase des Wahlkampfes. Diese diffuse Temperaturangabe scheint sich auf einer nach oben offenen Skala empor zu hieven. Zumindest bis zum Stichtag.

Allein bisher habe ich trotz aller Superlative nicht den Eindruck, es würde irgendetwas an irgendeinem Tag kulminieren. Das höre ich nur ständig und schenke erst recht keinen Glauben. Vom heißen Wahlkampf überzeugen mich nicht die sich beispielsweise an allen Wochentagen für wenige Stunden auf dem Jahnplatz einfindenden Gestalten, welche flüchtige Passanten vollquatschen und ihre Flyer in die Hände drücken oder gar das verstärkte städtische Plakataufkommen. Nein, da ist nichts mit Kampf, da ist nur etwas mit platten Sprüchen, hirnerweichenden Parolen und gequält-lächelnden Fratzen. Das ist weder heiß noch einzig „gerade“, das ist Standard. Die Frequenz ist nur ein wenig verkürzt.

bielefeld, jahnplatz. symbolbild.

Ich habe bisher nur ein Indiz gesehen, dass für mich nachvollziehbar bescheinigt, irgendetwas sei heiß; irgendetwas sei immanent oder stehe vermeintlich groß bevor: Wenn die händischen Verschönerungen von Plakaten beginnen; erst dann weiß man, hier passiert gerade etwas, ohne wirklich zu passieren. Und mit jedem Anblick gibt mir jenes Gekritzel auf den angebrachten Blendpapieren ein Stückchen Ruhe und Vertrauen wieder und zurück, während es zugleich ein weiteres Stück aus dem Glaubens- und Hoffnungskuchen klaubt.

Paradoxe Kritzeleien sind es. Kritzeleien, die vom Großteil meist abgetan werden oder belächelt. Man regt sich darüber auf, über diesen Stumpfsinn – über diese Sachbeschädigung; wie sinnlos und dumm diese Menschen doch seien. Man erhebt sich über die, die etwas ausdrücken wollen und es auf diese Weise tun, nur um anschließend den eigenen Gang zum Wahlkasten zu zelebrieren und tief in der Illusion festzustecken, man selbst habe nun mit seinem Kreuzchen etwas ausgedrückt und damit ganz sicher etwas bewegt und verändert.

Man selbst ist immer König auf dem Schachbrett, niemals einer der Bauern. Man missversteht alles, jeden und überhaupt.

Ich fühle Ekel. „Aufsteigerland NRW“ – dieser Slogan der FDP brennt mir seit Wochen wie tausend heiße Nadeln in Augen und Hirn. Was soll ein Aufsteigerland sein? Ist das in wirtschaftlicher Hinsicht gemeint? Das suggeriert, es sei einmal anders gewesen, dabei gehört und gehörte Nordrhein-Westfalen stets zu den wirtschaftsstärksten Ländern Deutschlands, wenn man anhand des BIP kategorisiert. Kann man „aufsteigen“, wenn man schon ganz oben sitzt? Und ganz oben befindet sich NRW zweifelslos, vor allem was die Arbeitslosenquote im Vergleich zu anderen westdeutschen Bundesländern angeht.1 Also darf man davon ausgehen, dass dergestalt Erfolg für die FDP ausschaut? Arbeitslosenquote hoch, trotzdem eine starke Industrie – win-win?

Darüberhinaus: Wenn NRW aufsteigt, müssen andere Ländern folglich absteigen? Wer? Darf sich der NRW-Wähler dann die Verlierer herauspicken? Und wird NRW als lachender Sieger dieser tabellarischen Lebensperspektive auf den am Boden liegenden Verlierern herumtrampeln dürfen; ist das gar die Pflicht des „Aufsteigers“?

Fragen über Fragen, ein Ekelgefühl nach dem nächsten. *|*

Stichwort Slogans.

Darum geht’s in NRW: Arbeit. Kinder. Sicherheit. NRW muss stabil bleiben

(Plakate CDU)

Mir nicht, CDU. Geht doch in Arbeit mit Kindern und Sicherheit… auf. Und nebenbei: Wer immer für „Kompetenz. Garantiert.“ verantwortlich sein mag – führt denjenigen in den Hinterhof und macht es kurz und schmerzlos.

Aufstieg durch Leistung

FDP ans Klientel, FDP ans Klientel…! Schon verstanden. Weiter- oder besser Untergehen.

[Fair/Vertrauen/positiv konnotierte Begriffe] [in/für] [x] [NRW]

(Plakate SPD)

Glaubt weiter, SPD. Auf dass die Textvorlage nie ausversehen gelöscht werden wird.

Hartz IV abwählen! / Raus aus Afghanistan! / Freche Frauen wählen / Bildung gebührenfrei

(Plakate Die Linke)

Als hätte man eine Bizarro-Ausgabe der BILD an Laternen aufgehangen.

Es gibt auch Tiere, die der FDP am Herzen liegen. / A, B, CDU und raus bist du. / usw.

(Plakate Grünen)

Vergleichende Wahlwerbung also. Ich fände die persönlich ja nicht wirklich verkehrt. Das sollten überhaupt alle Parteien so handhaben. Obligatorisch. Rein qualitativ würde das die politische Kultur höchstens marginal verändern. Es wäre wenigstens annähernd ehrlicher.

Ich stelle mir die verordnet-gleichgeschaltete Wahlwerbung so vor: Das eigene Logo irgendwo hin pappen und nur den Slogan „Das kleinere Übel, für [Zeitraum]“ anbringen. Fertig. Der Zeitraum darf variiert werden; mal schauen, wie sie damit „kreativ“ umgehen würden.

Eine Sondererwähnung noch für Matthi Bolte von den Grünen:

Der Slogan „Für ein kreatives NRW“ hat einen Preis verdient. Irgendeinen! Waldorf-Gedächtnis? Esopoli-Preis? Egal.

„Sahra kommt!“, „Gysi kommt!“, „Rüttgers kommt!“ — bleibt weg, geht arbeiten oder was ihr sonst so macht. Ihr seid nicht der Heiland und überhaupt will ich über euer Sexleben nichts wissen. Geht zur Bunte oder Gala, die interessiert das vielleicht.

Es ist alles ein großen Spiel. Teilnehmer zu sein ist also folglich nicht immer von Vorteil.


Eine Antwort

  1. ben_

    Man darf das alles nicht sehen.
    Man muss da einfach wegschauen.
    Und immer wenn Du hier den Salzfinger auf die Wunden drückst, erscheint es mir wieder ein bisken zwingender, raus auf’s Land zu ziehen. Dort wo kein wohnt.

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