auch schlafen ist eine form der kritik

the bool in facebook

Ich bin Kulturpessidialist. Immer, doch gerade in letzter Zeit, wenn ich das ganze Zeugs um Datenschutz, soziale Netzwerke, Privatssphäre und allem Anhang höre, spalte ich mich und höre eine Stimme lautstark rufen, dass sie all den umspielenden Dreck nicht mehr hören kann. Und hören kann und konnte man es seit jeher, über die Anfänge privater Digitalseiten/-tagebücher bis hin zum aktuellen zwonulligen Community-Freunde-Sammel-Genetzwerke in Überkonzentration. Nach der Spaltung steht der Kulturpessimist in mir im Raum und mag vielmehr nicht mehr hören. Je mehr ich so höre, je mehr ich über Profile, Privatssphäre, Datenschutz, Bedenken, Selbstdarstellung, Profilierung und – gerade – Facebook höre, umso mehr winke ich ab. Geht weg, alle miteinander. Und als Kulturpessimist beginne ich zu Schimpfen, fühle mich als Überbringer der unvermeidlichen Botschaft – gar meist als Hiob selbst.

Ich hoffe, höre ich mich als Pessimisten dann rufen, dass es endlich mal zu einem wirklichen GAU kommt. Es soll endlich einen GAU geben, der Tschernobyl auf digitaler Seite in den Schatten stellt und alles mit privaten Informationen dermaßen verstrahlt, dass man noch Jahrhunderte später problemlos in Erfahrung bringen kann, welche Farmtiere Jason Smith aus Idaho gerne gezüchtet hat, welche Damenunterwäsche John Doe im Geheimen gerne trug, auf welche abgefahrene Sachen Martin und Alice aus Münster im Schlafzimmer so standen, wieviele Affären jederman hatte… alles soll überstrahlt von intimisten Informationen sein, dass Angewidertsein Normalzustand ist.

Stets endet die Pessimistenseite diesen Rant und stets steht die Idealistenseite mit offenem Mund, fassungslos und außer sich neben ihr. Widerspricht vehement. Später, in der Dunkelheit, liegt sie jedoch wach im geistigen Bett und muss sich leise eingestehen, dass genau soetwas vielleicht für ein paar Jahre ein Bewusstsein in den Mitmenschen schaffen könnte, worauf auch sie – ganz idealistisch – stolz sein könnte.


3 Antworten

  1. großartiger artikel.
    „in der Dunkelheit, liegt sie jedoch wach im geistigen Bett und muss sich leise eingestehen“
    – rahme ich mir ein.

  2. Wenn alles von intimsten Informationen überstrahlt würde, gäbe es gar keine Unterscheidung mehr zwischen privat und öffentlich. Dann gibt es auch keinen Grund mehr, angewidert zu sein.

  3. fym

    Stimmt ansich, phänomenal, wenn auch nicht in diesem Text. Aber beim nächsten Rant versuche ich die innere Logik der Buchstaben ins Korsett der äußeren zu zwängen. Versprochen 😉

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