auch schlafen ist eine form der kritik

Macht, User, Protagonisten und Boulevard

Schöne Veranschaulichung der stetig-altbekannten, gesellschaftlichen Schieflage unserer Kultur im ZDF:

Am 8. April um 22:15 Uhr wurde dem zu diesem Zeitpunkt mitunter schon halb eingeschlafenen Zuschauer mit Maybrit Illner das verbildlichte Äquivalent einer BUNTE-Ausgabe dargereicht. Unter dem lieblichen Titel „Ausgespäht und abgezockt. Wie gefährlich ist das Internet?“ saßen die üblichen Heißluft-Verdächtigen in gähnender Runde beisammen und pallaverten um irgendwas Diffuses herum, um letzten Endes doch nur Eigenwerbung zu betreiben. Wie sie das bei Illner eben immer machen.

Ilse Aigner sah sich wohl hier gezwungen, in Runde sitzen und reden zu müssen. Kay Oberbeck, Sprecher von Google Deutschland, musste – selbst bei solch einer Betitelung der Sendung – erscheinen, ist ja schließlich sein Job. Constanze Kurz durfte diese Computertypen, diese Hacker… diese Internetfreaks… na, wie jetzt? – ah, den CCC sprachlich symbolisieren. Frank „Mir ist das grundsätzlich ein bisschen viel“ Schirrmacher war da, um zu zeigen, dass ihn 5 Mitanwesende noch nicht vollends verwirren. Zu guter Letzt gab’s noch einen Token-Platz zu vergeben, den Andrea Kiel als „zweifache Mutter und bekennende ‚SMS-Königin’“ fachlich ergänzte.

Kurzum: neutrale Thesenformulierung, wohlfein ausgewählte Gäste, eine beschwingt-belustigte Illner – die Sendung war grand-i-os. Wie eh und je. Vermute ich zumindest. Nach genau 8 Minuten und 37 Sekunden schloß ich die Mediathek. Ich fühlte mich ausgespäht und vor allem abgezockt.

Schnitt.

Am 11. April kommt erst um 00:30 Uhr das nachtstudio, die Sendung ist in der Mediathek jedoch jetzt schon in voller Länge abrufbar. Unter dem Titelbanner namens „Information Overkill – Wie verändert das Internet unser Leben?“ sitzen mindestens zwei, der auf anderer Seite üblichen Verdächtigen: Marius Sixtus und Sascha Lobo, komplettiert von Astrid Herbold sowie Peter Kruse.

Alles also ein bisschen gemütlicher, intimer und ein kleines bisschen unaufgeregter. Langweilig? Alles ohnehin schon bekannt? Vielleicht dem interessierten netzaffinen Leser, vielleicht weniger den ZDF-only Nachteulen vor den Fernsehern. Schon bei der Gästeliste könnte man als Vertreter der ersten Gattung kurz innegehalten haben. Kruse, Kruse – da hab ich doch irgendwas gelesen, das ausgezeichnet war, oder? Richtig, genau der Kruse.

Und um den Unterschied zwischen beiden Sendeansprüchen zu unterstreichen, reicht wohl schon einzig ein längerer Zitat-Ausschnitt der Sendung:

Wie war’s denn vorher? Google hat doch niemals irgendetwas gesucht und gefunden. Sondern es waren immer die Menschen, die durch ihre Suche Google das erlaubt haben, ein Ranking zu machen. […] Es war schon immer das Gleiche. Es ist die Menge aller User, die die Intelligenz liefert. […] Ja, aber sie merken wieder das Gleiche: Wenn irgendjemand eine Information zur Verfügung stellt; wenn Ihnen der Arzt eine Tablette gibt, dann danken Sie dem Arzt, nicht der Pharmaindustrie- wie blöd ist das denn? […]

[Moderator: Aber hinken denn dann die Politiker, die jetzt sozusagen gegen Google Street laufen oder irgendwas Gesetz machen [sic] – hinken die eigentlich der Eigendynamik des Netzes hinterher?]

Nein, die leben in ihren eigenen Wertemustern. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand soviele Menschen bedient wie Google, dann halte ich ihn für unendlich mächtig. Wenn ich in einem Muster von Macht denke. […] Dass die Macht in dem Fall nicht von Google kommt, sondern von den Menschen, die sich Google bedienen, das muss man sich klarmachen. Und, bitteschön, diese Welten da draußen sind unglaublich schnell im Wechsel. Wenn irgendetwas dagegen spricht, das über Google zu machen, dann machen wir das über jemand anders. Also die Macht kommt in diesem Fall – und Sie haben gesagt radikale Demokratisierung – die Macht kommt aus dem Netz. Nicht von den Protagonisten des Netzes.

Peter Kruse im nachtstudio vom 11. April 2010

Ich glaube ja, dass man jede Gastrunde zusammen mit Frau Illner auf Wochen im Studio einsperren könnte, ohne dass etwas Ähnliches in all dieser Zeit dabei herauskäme.

[via]


3 Antworten

  1. ben_

    Beim ersten, zugegeben flüchtigen Blick auf das Aufmacherbild, dachte ich zuerst, die Dame in rot, würde ein Iphone bedienen.

  2. Klint wirklich spannend. Nachdem ich mir die Illner viel zu lang antat werde ich auch dem Nachtstudio jetzt mal eine Chance geben.

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