auch schlafen ist eine form der kritik

Kontrolle

Ich sitze, doppelt versunken, in der Bahn auf ihrer Fahrt in und durch den Tunnel, als ich aus naher Ferne die Stimme vernehme. Kontrolle. Mechanisch krame ich das Semesterticket aus der Brieftasche, halte es dem vor mir stehenden, diesem kopflosen, doch tönenden, Körper entgegen, ohne mit den Augen aufzublicken. Der Körper entfernt sich von mir, ich packe den Ausweis weg. Die Bahn hält, ich steige aus ihr und zugleich der Verklärung und Versenkung. Überlege rückblickend und meine Gedanken selbst überstürzend, was da gerade geschehen ist.

—hat der Körper sich mit laminiertem Papier ausgewiesen…? Ich glaube nicht— ach, bestimmt! die kopflose Körperschaft muss doch, sollte es müssen… braucht aber nicht, wenn sie nicht muss—

Autorität durch Situation und Akzeptanz-, denkt es in meinem Kopf rum, während der gewohnte Weg an mir durch meine Schritte vorbeiläuft; unter ihnen hindurch. Da hätte also irgendein gesichtsloser Körper seine Stimme erheben und fordern können, ohne allzuviele Hinterfragende anzutreffen, allein weil ihm in der Situation ein jeder seine so falsche Autorität gemeinschaftlich zugestanden hätte. Meine Schritte werden kürzer. So funktioniert eben Autorität. Aber wer sollte auch sonst in solcher Sphäre fälschlicherweise seine Stimme erheben und herumtönen? Ich bleibe stehen. Jeder, der will und eine kaum überzeugende, doch blendende Rolle spielt, erkenne ich resignierend und setze unvermeidbarer Dinge wieder ein Bein vors andere. Was ist das bloß für eine Autorität, diese Autorität der Situation und Akzeptanz? Die Frequenz meiner Schritte steigert sich und ich betrachte abgesengten Blickes das Schauspiel der voreinander fliehenden, der sich gegenseitig verfolgenden und in Wettbewerb stehenden Beine. Es sind meine und doch glaube ich sie in fremder Ferne. Aus solcher Entfernung wäge ich ab, habe das Gefühl, ein Bein sei länger als das andere. Gestelzt scheint es den Wettstreit beider zu dominieren.
Tapp. Ich beginne zu hinken, alles verlangsamt sich und gerät in wechselnde Schieflage. Tapptapp. Stehengeblieben.
Ein Einfluß ohne Würde und Sitte, das ist es, überkommt mich der Gedanke in stehender Ruhe. Weitergehen.
Tapp. Bloß weitergehen, tapptapp, wenigstens kriechen, wenigstens weiterhinken. Ich kann mich nicht erinnern, eine Stelze angelegt zu haben. Vielleicht- vor langer Zeit? Wofür jetzt? Tapp. Unsicher biege ich in die Straße des Hauses ein. Eine Wohnung befindet sich darin, Graffiti außen an der Wand. Lese stets aufs Neue darin, während ich ihnen näherkomme. Eine bedeutungslose Mitteilung haftet wie Schmutz darunter. Die oberen wenigen Zeichen, die reich verarmte Schrift, soll am nächsten Tag entfernt werden. Tapp. Stören sie eine Mehrheit? Mit welchem Recht?
Tapp.Tapp.Tapp.

Stillschweigende, irrationale Akzeptanz. Tapp.


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