auch schlafen ist eine form der kritik

Thomas Mann. Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.

Das erste und einzige Fragment der Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull wirkt für sich eben so: fragmentarisch, zerklüftet; ohne eine wirklich-gefühlte Struktur erahnen zu lassen. Selbstreflexiv lässt Mann einen seiner Charaktere dies aussprechen, indem dieser die hehre Formel der Geschichte (nur gute und wahrhaftige Geschichten haben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende) zum Besten gibt, während der ihn umgebende Roman nichts von alledem beherzigt. Die Bekenntnisse enden ebenso abrupt, wie sie begannen.

Der Schelmenroman kokettiert in seiner aus- und abschweifenden Art stets mit dem Bildungsroman, nur um diesen in Momenten der verstärkten Annäherung denn sogleich zu karikieren. Diese fahrig wirkende Machart des Romans ist selbst äußere Ausarbeitung seiner inneren Gestaltung. Während der gesamte Roman – ungeachtet der fehlenden Fortsetzung und damit der weiteren Ausarbeitung – fragmentarisch wirkt, gilt dies unumwunden ebenso für den sich selbst als erwählten Menschen (oder eben: als Künstler) begreifenden Krull und seine Art, sich mit der feinen, übernervösen Wiedergabe geballten Halbwissens beeindruckend durchs Leben zu wandern.

Mann scheint es mühelos zu gelingen, selbst in der ordinärsten Anordnung seiner Geschichten Bezüge und ein erhellendes sowie erbauendes Sprachspiel einzuflechten. Das Spiel ist – wie dem Hochstapler – Mann das Höchste. Hier zelebriert er es ausgelassen. Und nur dadurch fühlt man sich unterhalten.

Hier besteht ohne Zweifel eine für den Haushalt des Lebens unentbehrliche Einrichtung, als deren Diener dieser Mensch gehalten und bezahlt wird. Wieviel Bewunderung gebührt ihm nicht für das, was ihm heute gelang und offenbar täglich gelingt! Gebiete deinem Ekel und empfinde ganz, daß er es vermochte, sich in dem geheimen Bewußtsein und Gefühl dieser abscheulichen Pickel mit so betörender Selbstgefälligkeit vor der Menge zu bewegen, ja, unterstützt freilich durch Licht und Fett, Musik und Entfernung, diese Menge das Ideal ihres Herzens in seiner Person erblicken zu lassen und sie dadurch unendlich zu erbauen und zu beleben!


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