auch schlafen ist eine form der kritik

»District 9«

Vor drei 28 Jahren strandete in Südkalifornien über Johannesburg ein unbekanntes Flugobjekt. Die Regierung entsandte nach ersten erfolglosen Kontaktversuchen ein Team in das fremde Raumschiff. An Bord fanden sie etwa 250.000 eine Million Außerirdische, ausgehungerte Sklaven Arbeiter, die die US-amerikanische Regierung um Asyl baten von der südafrikanischen Regierung kurze Zeit später in ein Camp verfrachtet wurden, welches seit einiger Zeit vom paramilitärischen Konzern „Multinational United“ (MNU) geleitet wird.

Die von den Menschen als Newcomer Prawns bezeichneten Außerirdischen, äußerlich dem Menschen stark ähnelnd offensichtlich insektoider Herkunft (aber wenigstens Zweibeiner), gehören inzwischen zum normalen Stadtbild von Los Angeles Bild ihres zum Slum verkommenen Camps, „District 9“.

Diese Prämisse bietet sich dem Zuschauer beim neuen, von Peter Jackson produzierten und in Südafrika gedrehten, Streifen District 9. Man möge es mir verzeihen, aber der Faulheit halber habe ich einfach ein paar Sätze aus Einleitungen zu Alien Nation zusammengeklaubt und an den wichtigen Stellen modifiziert. Passt erstaunlich gut…

Nun gut, worum geht’s also genau? Die Umsiedelung der Außerirdischen steht an, weil ihre Zahl stetig und die Anfeindungen mit den anderen sich im Slum District 9 befindlichen menschlichen Insassen wächst. Wikus van de Merwe wird mit der Leitung dieser Umsiedelung betraut, marschiert also kurze Zeit später – von einem Kamerateam begleitet – von Slumhütte zu Slumhütte, um von den Bewohnern pseudo-legale Zustimmungen per Unterschrift einzuholen. Wie das häufig so ist, führt schließlich eins zum anderen und Wikus wird einer Substanz ausgesetzt, die…— sagen wir einfach, er und Gregor Samsa könnten fortan angeregte Gespräche führen. Freilich mit dem Unterschied, dass Wikus nun plötzlich der meistgesuchte und -verfolgte Mensch auf Erden ist.

Quelle: Sony Pictures

Kommentieren, dann schießen

Wenn auch nur ein Kritiker sagt, die Prämisse von District 9 sei „kreativ“, „neuartig“ oder sonst etwas, dann hat er wohl eine andere Auffassung von Kreativität als ich. Was – zugegeben – nicht weiter schlimm ist, so funktioniert das. Aber ein bekanntes Motiv (wobei Alien Nation natürlich auch nicht der Urvater des Gedankens ist) schlicht an eine andere Örtlichkeit übertragen, sich der Betrachtung von alltäglichem latenten und offenem Rassismus, Vorurteilen und Tendenzen vor dem Slumhintergrund nähern und dabei das Mockumentary-Format wählen- das mag auf einer Ebene vielleicht „kreativ“ sein, aber eben nicht neuartig. Das ist ohnehin das Wenigste. Dem Film merkt man jedenfalls förmlich an, dass Drehbuchautoren und Regisseur alles reindrücken wollten, was nur irgendwie ins filmische Vehikel passen könnte: Gesellschaftskritik, Action-Kino a la Independence Day, eine Prise Knuddelfaktor wie zu besten Spielberg-Zeiten und natürlich eine gehörige Portion Splatter. Viel Wunsch, wenig Zeit.

Man geht nicht zimperlich mit ihnen, den so genannten gesellschaftskritischen Anspielungen, um, so dass diese bei District 9 schon keine mehr sind. In your face, würde der englische Muttersprachler das nennen. Zu der ohnehin schon vorhandenen, unterpriviligierten Slumbevölkerung gesellen sich Auswärtige, illegal aliens eben, hinzu und beide Seiten richten ihren Frust sinnlos aufeinander, anstatt mit vereinten Kräften für Besserung zu sorgen; schon klar.

Ich habe das Gefühl, man wurde deshalb von Drehbuchseite aus mit den gesellschaftskritischen Daumenschrauben im ersten Drittel des Films geradezu malträtiert, um damit das Aufgeben derselbigen im weiteren Verlauf – zugunsten eines reinsten Action-Kinos – kompensieren und gefühlt legitimieren zu können. Am Ende wird ja doch nur wieder futuristisches Waffenfeuerwerk abgebrannt; Konfliktlösung per Schusswechsel geführt – das ist alles bekannt, mitunter ist es auch unterhaltsam, aber eben wenig überraschend.

Das bleibt übrig: Ein Science-Fiction-Film, ein Action-Blockbuster, der zwar nicht direkt aus Hollywood stammt, aber alle gängigen Züge eines solchen trägt. In diesem Kontext ist er nette Unterhaltung. Ginge man aber bei der Bewertung von dem aus, was daraus hätte werden können, so muss man attestieren: District 9 versucht so viel und schafft dabei tragischerweise so wenig im Versuch, aus einem multitaskenden Mix wahre Scifi-Größe entstehen zu lassen.


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