auch schlafen ist eine form der kritik

Geschäubelte Durchsicht

Wolfgang Schäuble schreibt mit Hilfe der FAZ nun auch was ins Netz. „Ohne Maß ist die Freiheit der Ruin“ (faz) hat er dieses massive Zeilenmeer betitelt. Da horcht man auf, da liest man.

Ich habe mich währenddessen als Zuhörer in ein gebildetes, mitunter eingebildetes, mono-tones Gespräch begeben.

Allerdings ist das, was wir bisher als Maximum an Freiheit […] für richtig hielten, korrekturbedürftig.

Das wissen wir doch schon, allerspätestens seit 2005, diesem heilig-glorreichen Jahr unserer neuen deutschen, auch ein bisschen römischen, Nation. Aber für alle, die das möglicherweise noch nicht begriffen haben: Fassen Sie es doch nochmals deutlicher und kerniger zusammen.

Wenn wir […] Freiheit erhalten und Dynamik wiedergewinnen wollen, brauchen wir wirksame Vorkehrungen gegen einen exzessiven Gebrauch der Freiheit.

Ich verstehe, Herr Schäuble. Wir brauchen also Vorkehrungen, um eine mäßigen Gebrauch von Freiheiten sicherstellen zu können. Sie müssen das wegen mir nicht so kompliziert ausdrücken; einfacher geht auch.

Die wiederholte Verbriefung von Risiken hat zu einer immer schlechteren Nachvollziehbarkeit der ihnen entgegenstehenden Sicherheiten geführt. […] Wir brauchen also Vorkehrungen, die den Zusammenhang von Nutzen und Schaden, von Risiko und Haftung wiederherstellen.

Sapperlot! ich kann in der Tat diese „entgegenstehende Sicherheiten“ nur sehr schlecht nachvollziehen. Sie sprechen mir aus der Seele, denn der Zusammenhang von Nutzen und Schaden ist mir tatsächlich seit längerer Zeit unverständlich geworden. Haben Sie denn irgendwelche Vorschläge, wie Sie und wir etwas dagegen unternehmen könnten? Haben Sie? Ich bin ganz Ohr…

Deshalb brauchen wir eine Dezentralisierung der Bewertung von Risiken. Denn wenn es zwangsläufig ist, dass Menschen sich irren, dann ist es besser, wir dezentralisieren Entscheidungen. Im Wettbewerb zeigt sich dann, welche Entscheidungen besser und welche schlechter waren. Die Besseren gewinnen, und das Scheitern der Schlechteren reißt nicht gleich alle in den Abgrund.

Das ist — ungewöhnlich. Aber ich will nicht vorverurteilen. Basisdemokratische Entscheidungen klingt auch erstmal nicht so schlecht. Hm, wir könnten dann auch gleich dieses Internetz nutzen (das ist das, wo ihr Text gerade steht- ja, genau.). Wie wäre das? Sie zaubern wie gewohnt über die entsprechenden Kanäle Vorschläge, Forderungen oder Absichtserklärungen aus dem Hut, welche dann zur Abstimmung ins Internetz gestellt und zur Bewertung freigegeben werden. Wenn die dezentralisierte Mehrheit daraufhin entscheidet, dass Sie sich dabei ein wenig verfranst haben – vielleicht sogar irren, dann gewinnt diese verteilte Bürgermasse zwangsläufig Hoheit und lässt sich nicht von Ihnen in den Abgru… bitte? Ja, wir müssten dann schon irgendwie sicherstellen, dass diese Netzpiraten und Computerchaosler nichts manipulieren können. Aber das hat was, Herr Schäuble. Das sollten Sie durchaus weiterverfolgen. Meiner Unterstützung dabei können Sie sich gewiss sein, versprochen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Krise die Akzeptanz des Rechts und das Bejahen unserer freiheitlichen Ordnung untergräbt. Wir müssen aufpassen, dass wir auf sie auch nicht überreagieren und in ein anderes Extrem verfallen.

… … Na, na nicht so schnell. Wer wird denn gleich- immer ruhig. Das sind ja ganz komische Töne, die sie hier plötzlich anschlagen. Ich bitte Sie, Extreme bereichern das Leben; Extreme sind das Salz unserer gesellschaftlichen Suppe. Wäre unser Leben ohne sie nicht arg langweilig, wäre es nicht ordinär-geordnet? Wer will das denn? Sie doch hoffentlich nicht.

Ohne Ethos gehen nicht nur verantwortlichem Handeln zugrundeliegende Prinzipien verloren, sondern auch der Eigenwert eines Berufsstandes in einer freiheitlichen Gesellschaft. Ohne verantwortliche Berufsstände gerät die Berufswelt zum Einerlei; die von ihnen erbrachten Dienstleistungen werden verwechselbar und beliebig ersetzbar.

Höre ich da Zweifel heraus? Bitte nicht! Denn ich kann Ihnen versichern – Sie, mein lieber Herr, Sie sind unverwechselbar. Das wird sich bei allem Maß, bei allem Einerlei nicht ändern. Manche Dinge sind unabänderlich. Sie sind eines davon. … nein, bitte nicht. Wenn sie jetzt weinen dann muss ich doch auch—

Dieter Thomä spricht von „uralten, ewig jungen, Tag für Tag sich bewähren sollenden Vorstellungen vom guten Leben“. Für mich als Christdemokraten sind es die Orientierung an Maß und Mitte, die Vermeidung von Übertreibungen und die Besinnung auf das bonum commune unserer Republik, den Einklang von Freiheit und Verantwortung.

Das klingt schön. Einheitlich. Einheit ist gut. Einheit macht uns stark; Maß noch stärker. Sie haben Recht. Wir sollten alle nach Maß und Mitte streben.

Hoppla! Ich sehe jetzt erst, dass sich der Text von Herrn Schäuble zwar um eine Krise dreht, aber lediglich um die Finanzkrise. Verzeihung, da habe ich wohl einiges missverstanden. Bitte obiges imaginäres Gespräch streichen, es hat jetzt einfach jegliche Berechtigung verwirkt. Es gilt nicht- mehr.


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