auch schlafen ist eine form der kritik

post hoc ergo propter hoc

Man ist im Begriff, eine umfassende Kontroll- und Lenkinstanz aufzubauen. Um diese durchsetzen zu können, wird Totschlagargument als Begründung hervorgekramt. Das bietet genug drastische Bilder, die man medial-verbal in den Äther schaufeln und so jegliche Gegenstimmen in der öffentlichen Meinung wirksam ersticken kann. Währenddessen tätigt man zuhauf gebetsmühlenartige Besänftigungen, es ginge „wirklich“ nur um Totschlagargument. Derweil zeichnet sich intern schon längst ab, dass der angestrebte Kontrollmechanismus für andere, weitaus größere Interessen genutzt werden wird. Die Marschrichtung ist festgelegt. Die Sprache schreitet, in Ketten gelegt, einher–

Im Vorfeld sagte von der Leyen, nur versierte Internet-Nutzer mit krimineller Energie könnten künftig Sperrungen von Seiten mit kinderpornografischem Inhalt umgehen.

Das Kabinett des guten Willens (faz)

Die Rhetorik– man kennt sie schon aus anderen Aufführungen, bei denen lediglich ein anderer Totschlagargument-Darsteller benutzt wird. Näher betrachtet:

– Wenn das so „benötigte“ System von „versierten Nutzern“ einfach umgangen werden kann, erlischt dadurch nicht dessen Existenzrecht, weil es nur unbeteiligte Subjekte trifft? Die präventiv gegebene rhetorische Antwort:

„Die Würde des Kindes ist ein höheres Gut als die Massenkommunikation“, betonte die Familienministerin. 80 Prozent der Nutzer würden „per Zufall und aus Neugier“ auf kinderpornographischen Webseiten landen. Dort habe man sich bisher Filme runterladen können, „die das Zerfetzen der Kinder zeigt“. So hätte der Eindruck entstehen können, „dass das etwas sei, was viele machen“. Das habe die Hemmschwelle gesenkt. User seien „angefixt“ und dann in schwerer zugänglich Foren für Pädophile gelockt worden. Nun würden die Verbindungen zu entsprechenden Webseiten von vornherein unterbunden.

Familienministerin: Mehrheit der großen Provider macht mit bei Kinderporno-Sperren (heise)

Also hat das System natürlich noch seine Existenzberechtigung. Zuvor war das System populistischer, sicherer und wirksamer Weg. Wenn die technische Wirkungslosigkeit teilweise anerkannt werden muss, wird es etwas anderes. Nämlich suggerierte, geradezu liebevolle sowie besorgte, Präventivmaßnahme. Die helfende Hand für die in den Raum geworfenen 80 Prozent der zufälligen und neugierigen[sic] Potentiellen. Danke.

Bei Totschlagargument hat ja auch kaum jemand angemerkt, dass die bösen Totschlagschläger einfach andere Mittel und Wege finden werden, um ihre Taten weiterhin durchführen zu können. Kaum jemand in einer Position, die Gewicht besitzt, hat angemerkt, dass letztlich die Allgemeinheit von den umfassenden Maßnahmenkatalogen betroffen sein wird. Die gesellschaftlich akzeptierte Einschränkung aller für die in ihrem Raum fehlenden Totschlagargument.

– Jeder, der die Sperre umgeht, ist also zwangsläufig eine Person mit krimineller Energie. Die Gründe spielen dabei augenscheinlich keine Rolle, egal ob derjenige die Sperrung umgeht, weil er beispielsweise Seiten aufrufen möchte, die zwar auf der Sperrliste stehen, direkt mit Totschlagargument aber nichts zu tun haben. Die skandinavischen Länder als Vorbild, wie von der Leyen schon meinte. Vorab werden Gegenstimmen schon suggestiv kriminalisiert und stigmatisiert (wer nicht für uns ist, ist für Totschlagargument). Nun ist für die Stimmen gesorgt, die ihrer Lautstärke Taten folgen lassen werden. Die Rhetorik verlangt es.

All this has happened before, and all this will happen again.


3 Antworten

  1. Das war ja eine der erstaunlichsten Einsichten während meiner Schulzeit: Die Tatsache, dass etwas passiert ist, ist der Beweis, dass es auch wieder passieren kann.

    All animals are equal.

  2. Und das Wörtchen „kann“ ist mitunter Beispiel für einen Spielerfehlschluß. Leider.

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