auch schlafen ist eine form der kritik

Man nennt es anders

Da ist sie also, die hiesige Atheist Bus Campaign. Da man sich – so der Pressesprecher im Interview – für eine „klare Trennung von Staat und Religion“ einsetze, wurde der Titel Säkulare Werbekampagne gewählt. Und während ich einen Satz im eigenen Kopf vernahm (Ja, welche |Missio|Werbekampagne ist das denn nicht?), fand ich diese Aussage enttäuschend– nahm ich doch an, die Bezeichnung sei bewusst mit selbstironischem Unterton ausgewählt worden.

Man hat es wahrlich nicht leicht, in dieser Welt der Unentscheidbarkeit, in dieser Welt der Perspektiven, welche doch Entscheidungen fordert. Weiß man jedoch um die Perspektiven, fehlt zwangsläufig die geforderte und erforderliche letzte, entscheidende Konsequenz. Muss konsequenterweise fehlen. Ein Paradoxon entspringt einem Paradoxon, wenn man so will. Mit diesem Un-/Wissen belastet, entsteht eine nervige Angewohnheit, wenn man entschiedene Stimmen vernimmt: Man tauscht – unweigerlich & probehalber – deren Worte aus. Mal stellt man diese um. Mal ersetzt man sie mit anderen. Und manchmal stellt man sich gar den Aussagenden als jemand anderen vor. Das ist trotz allem, wenn auch perspektivische Unentscheidbarkeit bestätigend, eine recht lustige Sache.

… Gut. Jetzt bin ich wohl zu sehr abgeschweift. Was wollte ich denn eigentlich? Ach, genau. Einen Auszug aus obigen Interview wollte ich noch zitieren.

Seid ihr missionarisch unterwegs? Wollt ihr Christen vom Pfad des Glaubens abbringen und zum Nicht-Glauben bekehren?

Nein, wir sind keine Missionare und wollen niemanden bekehren. Wir wollen vielmehr dazu anregen, zu fragen statt zu glauben, und Gläubige, bei denen von der Religion nichts mehr übrig ist, außer ein guter Mensch zu sein, fragen: „Woran glaubst Du noch? An die die Geburt Jesu durch eine Jungfrau? An Adam und Eva? An das Paradies und die Hölle? An die Arche Noah? Wenn nein, wozu bezeichnest Du Dich dann noch als Christ? Ein guter Mensch kannst Du auch so sein.“ Wir wollen niemandem vom Glauben abbringen, wollen aber darauf hinweisen, dass es sich bei religiösem Glauben um ein durch Sozialisation, also durch ganz irdische Menschen übergestülptes Überzeugungssystem handelt, das auf inzwischen nachweislich falschen Grundannahmen beruht und ganz offensichtlich der Erhaltung der Macht einiger Weniger dient. Streng Gläubigen gegenüber wollen wir dafür werben, sich in erster Linie als Mensch statt als Christ, Moslem, Jude oder Anhänger einer anderen Religion zu verstehen und unsere Aussagen nicht als persönlichen Angriff sondern als sachliche Kritik an einem gesellschaftlichen Phänomen zu deuten.


2 Antworten

  1. Schlimm. Dass sich Atheisten in einem Land wie diesen so in Zurückhaltung üben müssen. Ich könnte ja sagen aus seinen Worten spricht, das ist Demut und mich damit als Kompromiss zufriedengeben. Aber es scheint mir viel mehr Angst vor der eigenen Courage und Angst vor dem gesellschaftlichen Konflikt zu sein. Dass man als Atheist nicht sagen darf, dass man Leute vom Pfad ihres Glauben abbringen möchte … was für eine Bigotterie!

  2. Oder es ist in der Tat ganz simple Selbstverleugnung. Um den Habermas mal abzuwandeln: Die in variablen Situationen eigene Interessenbindung, mit ihrer immanenten (verschieden stark ausgeprägten) Reflexionsunfähigkeit, ist ja nicht alleiniges „Privileg“ einer dominierenden Klasse.

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