auch schlafen ist eine form der kritik

Die Kinder vom Bullenhuser Damm

SS-Leute haben noch in den Tagen vor Kriegsende,
die Zeit hat gedrängt,
20 Kinder erst misshandelt, geschlagen,
dann in dieser Schule im Keller erhängt.

Ihr Hunger hätte, die Kinder wogen nicht viel,
schon zum Sterben gereicht.
Und die Schlingen um ihre Hälse
zogen sich deshalb nicht zu.
Zum Erhängen zu leicht,
schlugen sie um sich an ihren Stricken.
Zappelten lange und starben nicht.
Die Mörder hängten, um sie zu ersticken,
sich an sie mit ihrem ganzen Gewicht.

Scheinbar völlig besiegt, aber nie ganz entmachtet,
leben zu viele dieser Bestien noch.
Von zu vielen Menschen geehrt und geachtet,
die selbst harmlos erscheinen
und die sich doch vor den Opfern mehr ekeln,
als vor den Mördern.

Und die Mörder blieben von diesem Staat meist unbehelligt,
sie züchten und fördern längst eine neue furchtbare Saat.
Mit ihren blutigen Tatzen befingern sie zärtlich ihre Enkel,
prüfen ob sie gedeihen auf dem sumpfigen Boden.
Und durch Jäten verringern sie die Keime
der Menschlichkeit in ihren Reihen.

Es gilt die Dämpfe abzulenken, die aufsteigen aus diesem giftigen Schlamm.
Sie für immer zu binden-
auch
im Gedenken an
die Kinder vom Bullenhuser Damm.

Hannes Wader: Die Kinder vom Bullenhuser Damm


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert