auch schlafen ist eine form der kritik

»Frost/Nixon«

docnic (flickr / CC)

Mit historischen Dramen ist das so eine Sache. Sind sie historisch korrekt – sofern es das geben kann, Geschichte ist Geschichte ist Geschichte… – halten sie sich streng an das, was in Bezug auf ihr Objekt als gesichertes und allgemein anerkanntes Wissen gelten darf. Aus dramaturgischer Sicht, so unverständlich das sein mag, erscheinen sie jedoch dem Produzenten und vor allem den Rezipienten meist als dürftig. Liegt das Hauptaugenmerk hingegen auf der dramatischen Wirkung, leidet zwangsläufig erst recht die historische Genauigkeit, sofern es diese geben ka…– Es scheint deshalb unvermeidbar bzw. weniger nervenaufreibend, jegliche Werke dieses Genres hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Fiktion, ihrer künstlerischen Ausgestaltung, zu betrachten. Schwer wird das nur bei jenen, die ihren historischen Teil überbetonen, wie das beispielsweise Frost/Nixon mit seinem Blick auf die Fernsehinterviews von David Frost mit Richard M. Nixon versucht.

Wenn es der Titel dem Zuschauer nicht schon vorher klargemacht hat, wird schnell ersichtlich, dass hier im Prinzip den Interviews eine höhere Bedeutung beigemengt wird, als diese tatsächlich besaßen. „Ein schonungsloses Duell, das Geschichte schrieb“ titelt man dementsprechend selbstbewusst auf dem deutschen Filmplakat und man fragt sich, als eine rudimentär belesene Person in dieser Hinsicht, schon, was daran nun so schonungslos gewesen sein soll. „Frost und Nixon“ – die schon im Titel suggerierte Rangordnung bricht im Film sofort hervor und erschlägt den Zuschauer: Der kleine David Frost gegen den, wenn auch geschlagenen, großen Nixon. David fügt Goliath mit seiner journalistischen Schleuder einen vermeintlichen Schlag bei und streckt diesen medienwirksam dahin. Am Ende steht für ihn die Aufnahme ins journalistische Pantheon.

Das alles suggeriert der Film, darin verliert er sich zu häufig, wenn man Wert auf eben jenen historischen Anteil legt. Zum Glück hat er einige Momente, die die Darstellung beider Figuren brechen wollen. Viele sehr deutliche, einige sehr subtile Momente, welche sich daran versuchen, diese fast schon glorifizierende Darstellung zu dämpfen. Natürlich sind die Interviews nicht aus altruistischen Motiven heraus entstanden. Frost kämpfte gegen das Vergessen werden und für Ruhm und Anerkennung, Nixon für eine mögliche Rehabilitation in den Augen der Menschen und der Medien und natürlich für seine Finanzen mittels der 600 000 Dollar für die Interviews und der 20-prozentigen Gewinnbeteiligung. Das versucht der Film gleich zu Beginn klarzustellen oder anders ausgedrückt: Das wird vorangestellt und abgehakt, um es auf den Weg zum Abspann größtenteils vernachlässigen zu können. Denn wichtig für den Film ist das „Geständnis“ Nixons am Ende, bei der Vertuschung von Watergate aktiv beteiligt gewesen zu sein, was jedoch nur zustande kommen kann, weil vorherige Aussagen des Originals schlicht weggelassen werden.

Warum man das getan hat, ist mir schleierhaft. Abseits dieser legalen Fragen hätte die Tatsache, dass Nixon untypisch eigene Fehler und eigenes Versagen einräumte, die Dimension dramatischer Grundvorraussetzungen durchaus im Alleingang erfüllt.

»Frost/Nixon« © Universal Pictures

Aus historischer Sicht ist Frost/Nixon somit fast schon als Entstellung zu werten. Ein in Hinblick auf Nixons Mittäterschaft und Schuld belangloses Interview wird hier als Sieg für Frost und den Journalismus heraufstilisiert. Aber wie schon zu Beginn erwähnt: Man kann aus dieser Perspektive wertend herangehen (und bisweilen muss sich ein Film in diesem Genre solchen Wertungen stellen), doch am Ende zählt die geschaffene dramatisierende Fiktion. Und in dieser Hinsicht besitzt der Film alle nötigen Vorraussetzungen (wie archetypisch der Anruf Nixons bei Frost vor dem letzten Interview doch ist), um ausgezeichnete Unterhaltung zu liefern.

Es geht um genau diese zwei Charaktere, welche sich in ihren Bedürfnissen ähnlicher sind, als es nach außen hin wirkt. Inwiefern das tatsächlich mit den realen Vorlagen vereinbar ist, muss fast zwangsläufig außen vor bleiben. Der Film lebt eben von dem Schauspiel der Darsteller, das in seinen Bann zieht.


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