auch schlafen ist eine form der kritik

»Little Miss Sunshine«

Eine bröckelnde Ehe. Sie steht kurz davor, alles satt zu haben, besonders ihn. Er strebt erfolglos eine Karriere als Motivations-Guru an. Die siebenjährige Tochter, welche in einem Schönheitswettbewerb auftreten möchte. Der Sohn, der sich in Nietzsches Schriften selbst versenkt, Kampfpilot werden will und bis dahin ein Schweigegelübde abgelegt hat. Der Onkel, Literaturwissenschaftler und ehemals prominentester Proust-Forscher, hat einen Selbstmordversuch hinter sich, nachdem einer seiner Studenten ihn verlassen hat. Der Opa, der aus seinem Altenheim rausgeworfen wurde, weil er sich entschloß, auf seine alten Tage hin Heroin eine Chance zu geben. Sie alle begeben sich letzten Endes auf die Reise zum Schönheitswettbewerb „Little Miss Sunshine“.

Screenshot Little Miss Sunshine

Normalität ist Skurrilität und vice versa. Tragikomödie ist Roadmovie. Little Miss Sunshine ist so skurril, wie es normal ist. Die Charaktere sind in ihrem Aufbau normale Konsequenz eines auf alternatives Ambiente abzielenden Drehbuchs. Der suizidgefährdete Literaturwissenschaftler, der in Nietzsche versunkene Pubertierende — das ist mir (oh Wunder) so sympathisch, wie es zugleich eben auch offensichtlicher „Standard“ ist. Die Darsteller sorgen letztlich dafür, das dieser Film über sein bekanntes Fundament hinauswächst: Steve Carell ist herrlich unaufgeregt. Greg Kinnear ist als verblendeter Wadenbeißer in seinem Element. Abigail Breslin ist als kleiner begeisterungsfähiger Sonnenschein genau das und damit auch das Verbindungsstück, dass den Film zusammenhält. Alan Arkin hat seinen letztjährigen Oscar als fluchender und lockerer Großvater durchaus verdient. Toni Collette hält nicht nur in ihrer Rolle das Ganze in geordneten Bahnen.

Screenshot Little Miss Sunshine

„Welcome to Hell“ oder: Trotz seiner unweigerlichen Klischeeansammlungen ein wunderbarer Film. Der das Schöne im Häßlichen sieht und gekonnt vermittelt. Und gäbe es keinen Literaturwissenschaftler, keinen von Nietzsche besessenen Teenager und keinen kleinen Sonnenschein, würde mich allein dieser Ansatz und seine Ausführung den Film mögen lassen.


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