auch schlafen ist eine form der kritik

Bilder fallen ein

Die Wartenden am Jahnplatz stehen dichter gedrängt als gewöhnlich und alle blicken sie wie hypnotisiert in eine Richtung. Ich freue mich zuerst, muss dann jedoch erkennen, dass wohl seit kurzem hier wie am Bahnhof die installierten Projektionsflächen nebst fest verschlossenen Beamern ihren Betrieb aufgenommen haben. Die zuerst gespührte Freude verwandelt sich schlagartig in ein dumpfes Gefühl der Furcht. Denn die Hypnotisierten wirken nun nicht mehr wie Ergriffene, sondern wie ausdruckslos vor sich hinstarrende Puppen. Gespenstische Stimmung.

Ich schaue mit und sehe, dass auf den einfarbigen Projektionsflächen informative und hilfreiche Hinweise aufflimmern — „Die Bahn fährt ein!“. Das ist nett, denke ich. Denn ich verpasse häufiger meine gewünschte Bahn, weil ich mit Musik im Ohr die herannahende Bahn oder die vorherigen Durchsage einfach nicht mitbekomme. Dann erscheint Werbung. Bewegte Werbung. Nicht zu knapp. Und auch jetzt blicken alle regungslos auf die bunten Bewegtbilder.

Von der Furcht erfüllt, ebenso wie diese Menschen zu enden, reiße ich meine Blicke los und suche verzweifelt nach mir vertrauten Bildern. Ich finde wieder das eine Bild und beruhige mich. Es beruhigt mich. Wie hypnotisiert stehe ich davor. Aber ich starre es nicht einfach an, ich lese in ihm ein ums andere Mal. Und sein Inhalt enttäuscht mich wieder nicht.

Und so geht das weiter, bis die laut-hörbare Bahn einfährt. Ich steige ein. Und mit mir viel Gewinn. Viele Geschichten. Nur ein einziges Bild war dafür nötig.


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