Die Kurzreportage „Verknallt in Jesus“ begleitet Mitglieder der innerkatholischen Glaubensgemeinschaft „Totus Tuus“ im Alltag sowie auf einer der alljährlich stattfindenen Pilgerreisen. Diese werden extra für Jugendliche veranstaltet. Der Name ist Programm, weshalb das Motto, hier wie dort, lautet: Verliebe dich in Jesus. Fällt das im Alltag zu schwer, kommt genannte Reise genau richtig.
Den zumeist ohnehin schon Gläubigen wird beigebracht, was für ein perfektes Leben hauptsächlichst nötig sei. Die Liebe zu Gott/Jesus und die Besinnung auf die Bibel, als praktischen Lebensratgeber. Ein Mitglied der Gemeinschaft, die — so ein Zufall — Eva, wird in ihrem Alltag begleitet und sie hat ihren Glauben schon vorbildlich durchgeplant. Ein Betkalender lässt sie kein wichtiges Monogespräch vergessen. Montags steht z.B. gleich als erstes das Gebet für Angela Merkel an. Überhaupt sei es doch eine Selbstverständlichkeit, dass man für seine Regierung als Ganzes und speziell für die einzelnen Vertreter bete.
Die Teilnehmer der Pilgerreise werden derweil auf ihr Glaubensbekenntnis vorbereitet — ohne Kamera, versteht sich. Man will nicht, dass man missverstanden wird. Aber das Kamerateam darf zuhören. Ein Sündenkatalog wird den Pilgern laut Team noch einmal vorgetragen. Bei „Totus Tuus“ definiert man ein wenig enger. Zum Beispiel ist das Ausführen fernöstlicher Praktiken (wie z.B. Judo) eine Sünde. Sichert einem zumindest den Platz im Fegefeuer. Auch Homosexualität ist nicht gern gesehen. Gibt wahrscheinlich aus Prinzip zwei weitere Jahrtausende auf die Strafzeit der Sünden drauf. Ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft wird gefragt, warum denn gerade Homosexualität so eine große Sünde sei, woraufhin er sich kurz sammelt, nachdenkt und überlegt, um anschließend in anthropologische Tiefen hinabzusteigen und dieses komplizierte Thema höchst intellektuell anzugehen:
(sinngemäß)
„Da braucht man nur mal an die ganzen alten Hochkulturen zu denken. In Griechenland zum Beispiel… als da die Homosexualität aufkam und einen immer höheren gesellschaftlichen Rang hatte, dauerte es nicht lange, bis die Kultur den Bach runtergegangen ist. Und so kann man an diese Sachen mit — ich sag’s jetzt einfach mal so — gesundem Bauernverstand herangehen.“
Genau. Danke. Gesunder Bauernverstand. Da macht die Welt gleich mehr Sinn, Kausalität ist eindeutig und alle Komplexe lassen sich fein säuberlich |zer|aufbröseln, um danach in Schubladen verstaut werden zu können. Und so pilgern die pilgernden Pilger zur Pilgerstelle, fühlen mehrheitlich Gott oder Jesus und sind darüber ganz entzückt. Ja, in ihrer Stimmung geradezu ver-rückt. Und man streckt, wie beim gemeinschaftlichen Singen, euphorisch die Arme gen Himmel und fühlt sich als Teil.
… Eva, man erinnere sich, nimmt sich gerne ihre private Auszeit vom hektischen Alltag. Sie scheint eine nachdenkliche junge Frau zu sein, die — wie sie selbst sagt — Zeit für sich fordert. Zeit, die sie häufig zur Reflexion und zur Bibellektüre nutzt. Sie schöpft aus Literatur Kraft, aus Bildern, Metaphern und Gleichnissen. Das ist lobenswert. Wäre diese Literatur ansich doch nur nicht so dogmatisch, so eingeengt und einengend. Dann könnten sich Denkkreise auch einmal weiterziehen.
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