auch schlafen ist eine form der kritik

Wissend, aber ein Teil.

Dass heute Abend die dritte Staffel von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ startet, ist ein gutes Signal für das deutsche Fernsehen und gleichzeitig beste Unterhaltung. DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath über die falsche Doppelmoral und Spießigkeit des deutschen TV-Publikums.

So die Einleitung im Kommentar Thomas Lückeraths auf DWDL.de. Ein bisschen Provokation darf ja mal sein. Ist allerdings nicht besonders wirkungsvoll, wenn man versucht, „falsche Doppelmoral und Spießigkeit“ aufzuzeigen, nur um sich bei dem Versuch unweigerlich selbst darin zu verfangen. Aber der Reihe nach.

Es sei „ein Armutszeugnis für den Fernsehmarkt Deutschland“ gewesen, dass RTL nach der letzten Staffel der Show eine Fortsetzung mit der Begründung hoher Kosten und allgemeiner Unwirtschaftlichkeit ablehnte. Ein Armutszeugnis deshalb, weil der „zweitgrößte TV-Markt“ nach den USA, der sich selbst auch genau so darzustellen versucht, nicht das zu schaffen vermochte, was zum Beispiel „in Großbritannien inzwischen in sieben Staffeln lief“.

Für Lückerath sind bei näherer Betrachtung die Ursachen klar: „deutsche Spießigkeit und Doppelmoral, wenn es um Fernsehunterhaltung geht.“ Die Werbekunden wollen nicht so, wie RTL das gerne hätte. „Die Werbebuchungen sind das (Finanzierungs-)Problem der Show.“

Dass nun RTL eine neue Staffel vom Stapel lässt, sei „ein Zeichen, dass es anzuerkennen gilt.“ Lückerath verpackt diese steile These:

„Wer den zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt anführen will, muss Weltklasse spielen und sich dies auch etwas kosten lassen.“

Ja, Herr Lückerath, das schmerzt. Ganz ohne „selbsternannte Qualitätswächter und Moralapostel“-Sichtweise. Denn woran machen sie die angebliche Doppelmoral in Deutschland desweiteren fest?

Es geht um den Müll im Fernsehen, der aber merkwürdigerweise beklagt und gleichzeitig eingeschaltet wird. Auch die neue Staffel von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ wird ganz sicher keine Quotenprobleme bekommen. […] Man wird sich in den kommenden Tagen über die Sendung unterhalten – wenn auch stets mit einer einschränkenden Erklärung und Entschuldigung, wieso man gestern Abend wieder unbeabsichtigt, zufällig oder weil „mein Mann/meine Frau“ es sehen wollte, dort hängen blieb.

Das soll also der Kern der so scharf erkannten Doppelmoral sein? Man muss sich fragen, wer da Teil einer Doppelmoral ist; sich ihrer bedient. Denn die gebetsmühlenartigen Rechtfertigungen und Begründungen auf Seiten der verantwortlichen Macher klingen kurioserweise gleich: Wir können doch nichts dafür. Wir geben den Zuschauern nur das, was diese selbst sehen wollen. Wir bedienen nur Wünsche.

Nein. Bullshit. Die Wünsche werden generiert. Und werden sie nicht generiert, werden sie zum wenigsten Teil zielgerichtet und angefeuert. Mag der Aufwand noch so enorm und die „Produktion auf höchstem Niveau“ sein, es ist kein „hervorragendes Fernsehen“. Es ist „die ganz große Inszenierung“ — ja, aber nicht die eines „Abenteuers“. Es ist die Inszenierung einer Freakshow. Es ist mediale Aufbereitung des Boulevards.

Wer nun meint, er befreie sich, indem er sich in die Rolle des alleinigen Rezipienten begibt. Wer solche Formate auch nur ansatzweise gleichsetzt mit dem verständlichen Anteil und der Forderung nach anspruchslosem Spaß am Medium Fernsehen und so vermeintlich über die leidige Doppelmoral der anderen Zuschauer triumphiert, der ist erst recht ein kleines Zahnrad im Mechanismus dieser Scheinheiligkeit.

You can’t wash your hands in this. The victorian freak show never went away.


2 Antworten

  1. zwetschgo

    Fernsehen und Sendergebahren sind mir momentan sowieso ein rotes Tuch. Ich bin froh, dass es Internet gibt. Da kann man auch andere Unterhaltung bekommen. Noch zumindest.

  2. Pingback

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