auch schlafen ist eine form der kritik

Insomnie

Frühes Aufstehen ist brutal, begünstigt und verstärkt automatisch potentielle Nervfaktoren der eigenen Umwelt. Noch eine Fahrt ins Elternhaus, auf der ich manchen Mitreisenden böse Sachen an den Hals gewünscht habe.

Fing schon bei der Abreise an. Am Bahnhof im Dämmerzustand auf den Zug wartend, amüsierte sich währenddessen in Hörreichweite eine angeheiterte Damenrunde. Wäre ansich ja noch im Limit der eigenen empfundenen Nervskala, hätte es das Schicksal nicht gerade etwas böse gemeint und eine Vertreterin der mir so verhassten Lachvariante in die Gruppe geschmuggelt. „Wäh-hääääää“ — Hauptakzentuierung auf dem langgezogenen zweiten Teil, mit schon grotesk anmutendem kehligen H. Dank anscheinend besonders lustiger Runde, feuerte die Dame dann auch im 10-Sekundentakt solcherlei Lachsalven ab. Geht für mich gar nicht, gerade unter den Voraussetzungen Garant für erhöhte Genervtheit. Glücklicherweise trennte sich jene Klangwelt von meinen Ohren mit der Ankunft und dem Betreten der Bahn. An ein kleines Nickerchen war anschließend nicht zu denken, was einerseits den unbequemen Sitzen, andererseits dem Ehepaar und ihrer Unterhaltung über Rheuma und damit verbundene Empfindungen zu verdanken war.

Für die letzten zwei Stunden der Reise musste ein IC genommen werden und ich entwickelte in geistiger Umnachtung die These, dass bei abnehmendem Tabak- der Alkoholkonsum im InterCity exponentiell ansteigt. Der Zug als nun rauchfreie Zone scheint asoziale Mitreisende in deutlich gestärkter Form hervorzubringen, auch wenn das nach vergangenen Erfahrungen kaum möglich schien. Aber warum nicht während einer Reise mindestens zwei Bierkästen leeren? Wofür ist die Bahn schließlich sonst nütze?

Die Rückfahrt heute folgerichtig nur Spiegelbild der Hinreise. Mit drei Stunden Schlaf in den Knochen wenigstens versucht, für eine halbe Stunde zu dösen. Wollte nun auch nicht so recht gelingen, gerade nachdem ich wieder einmal vom Glück verfolgt wurde und sich ein älteres Damenpärchen eine Reihe hinter mir platzierte. Warum kann man die Augen so einfach verschließen? Irgendwie schaffte ich es dann doch die Umgebung bestmöglich auszublenden und schlummerte schon halbwegs ein, da musste sich die hinter mir sitzende Dame aus unbestimmten Gründen an meiner Rückenlehne festhalten… und an meinen Haaren. Das merkte ich sofort, sie jedoch erst, als ich mich versuchte aus diesem Griff zu befreien. Wird man also nicht nur seines Schlafes, sondern auch seiner wenigen verbliebenen Haare beraubt. Sowas. Aber Bahnfahren soll ja entspannend und stressfrei sein, jawohl, liebe DB.


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