auch schlafen ist eine form der kritik

Zu verschließende Spuren

„Von den Amokläufen von Erfurt bis Emsdetten zieht sich die blutige Spur der durch den Konsum solcher Computerspiele ausgelösten Gewalt. Davor dürfen Politiker nicht die Augen verschließen.“

golem.de – Beckstein… und so

Stärker noch die Spur der durch persönliche Probleme ausgelösten Gewalt. Wer verschließt da eigentlich? Vielleicht einmal die Augen, vollkommen unverschloßen, zurückrichten.

Erfurt: Der Abschlußbericht der Kommission Gutenberg-Gymnasium (pdf) stellt zu Beginn des Abschnittes „Leitkriterien zur Persönlichkeitseinschätzung des Robert Steinhäuser und Tatbewertung“ fest:

Die Kommission ist, wie das OFA-Team, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass Robert Steinhäuser 16 Menschen und anschließend sich selbst tötete, nicht mit einer monokausalen Erklärung zu beantworten ist, sondern mit einer Bündelung von Faktoren.

(Abschnitt I, II)

Diese Faktoren wurden mehr oder weniger ausführlich betrachtet. Schulverweis/Schulische Probleme, soziale Probleme („Er lernte es zu wenig, Probleme ausreichend wahrzunehmen, sie zu benennen und anzusprechen und andere für deren Lösung um Unterstützung zu bitten […]“), sein Freundeskreis und eben auch von ihm genutze Medien. Neben einer beträchtlichen Videosammlung und diversen Ego-Shootern fanden sich im übrigen mehrere Hinweis darauf, dass er das von Politikern und Medien vielzitierte und verantwortlich gemachte „Counterstrike“ nicht leiden konnte und auch nicht spielte — „[…] weil es kein Spiel war, dass ihm viel Spaß gemacht […] habe.“ Das Fazit in Bezug auf die Wirkung gewalttätiger Videospiele wird im Bericht, unter Vorbehalten gegenüber einem „tatauslösenden Beitrag“ solcher Medien, dann wie folgt gezogen:

Tritt ein latentes Vorhandensein weiterer Faktoren hinzu, wie z.B. narzisstische Persönlichkeitsstruktur, geringes Selbstwertgefühl, leichte Kränkbarkeit, Hunger nach Anerkennung, hochstrebende Vorstellungen und trifft eine solche Disposition dann noch auf die leichte Verfügbarkeit von (Schuss-) Waffen, kann dies zu einer tödlichen, auf einen Anlass zur Entladung ausgerichteten Mixtur führen. Jedes in diesen Zustand fallende, auch objektiv unbedeutende, aber als subjektives Rechtfertigungsprofil für einen potentiellen Täter taugliche Ereignis kann dann das Uhrwerk für einen exzessiven Gewaltanschlag in Gang setzen.

(Abschnitt I, III – 5.)

Und was ist mit dem Vorfall in Emsdetten? Der Täter lieferte einen Abschiedsbrief, in dem böse Computerspiele nicht einmal erwähnt werden (unerhört!), dafür musste sich die Gesellschaft in all den pathetischen Zeilen so einiges anhören. Zum Glück entfernte man einen Großteil der vom Täter hinterlassenen Botschaften im Netz – versuchte es zumindest. Soziale Probleme, Leistungsdruck und all das, was in der Gesellschaft mitunter falsch läuft oder zumindest falsch laufen kann — das will sich natürlich niemand antun. Zu schmerzhaft in vielerlei Hinsicht. Wie hat es unsere jetzige Bundeskanzlerin damals nach dem Vorfall in Erfurt auch so wunderbar erklärt?

Wir müssen nicht verstehen und nachvollziehen, warum ein 19-Jähriger 16 Menschen und anschließend sich selbst erschossen hat. Aber wir müssen Konsequenzen ziehen, um ein weiteres Erfurt wenn nicht unmöglich, so doch weniger wahrscheinlich zu machen.

Angela Merkel, Bundestagsdebatte vom 3. Juli 2002

Vor der Gewaltbegründung mittels Spiele nicht die Augen verschließen, aber vor allem anderen. So muß das scheinbar sein. Na dann, Herr Beckstein, auf das sich alles durchboxen lässt. Wir brauchen schließlich die richtigen Konsequenzen.


Eine Antwort

  1. Pingback

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert