auch schlafen ist eine form der kritik

Projektion

„Verwirrung im Kopf“ (sz)

Herr Drach fragt anlässlich der Vorkommnisse an der Virginia Tech, warum „mancher von uns neuerdings eine Schrecksekunde beim Anblick junger Asiaten“ verspürt. Dem möchte er nachgehen. Man nehme dazu einige zusammengewürfelte Argumentationsketten, irgendwie muss man das Fazit ja erreichen. Also gleich groß in die Sache einsteigen.

Vieles an den Aufnahmen, die der Student Cho Seung-Hui während seines Amoklaufes an die Medien schickte, wirkt sich aus auf den Betrachter und wird von ihm interpretiert. […] Doch jedes einzelne Bild enthält noch eine Information, unabhängig von der jeweiligen Waffe, die der Mörder in die Kamera hält: Der Mörder ist asiatischer Herkunft.

„Natürlich steht diese Tatsache in keinem Zusammenhang zur Tat“, wie Herr Drach sicherheitshalber danach sogleich festhält. Man bemerke es aber eben nicht, wie man meinen könnte, einfach nur so. Und auch wenn, aufgrund eben jener absolut wichtigen Information, befürchtete Vergeltung gegenüber koreanischen Studenten bisher an der Virginia Tech ausblieben, so zieht er den Bogen weiter:

Und doch: Mancher verspürt auch hier in Deutschland derzeit diesen kurzen Augenblick der Verunsicherung bei der Begegnung mit einem jungen Asiaten. In der U-Bahn, in der Fußgängerzone, überall taucht für den Bruchteil einer Sekunde dieser Gedanke auf: Könnte der auch …?

Wer alles unter „mancher“ aufgefasst werden könnte, bleibt freilich dem Leser vorbehalten. Nach einem kurzen Abstecher in die Welt des islamistischen Terrors und des 11. Septembers bleibt für Herrn Drach die Verwirrung bestehen: Warum reagieren jetzt auf einmal Menschen — denn das tun sie, der Herr Drach hat es schließlich selbst geschrieben — mit dem gleichen Gefühl der Bedrohung durch „potentielle Islamisten“ auf junge Asiaten? Das Hirn ist schuld. Besser gesagt, dessen Einschätzung „möglicher Bedrohungen“. Kurz: Ein Sicherheitsbedürfnis. Und weil das nunmal so ist, muss man sich laut Autor nicht „über einen kurzen Augenblick der Angst wundern.“ Vielmehr darf man froh sein, über die eigene „Fähigkeit, mit diesem Menschen trotzdem vernünftig umzugehen.“ Puh, wenn das so ist.

Glückwunsch! Dieser Artikel dann wohl schillerndes Beispiel dafür, wie man mit solchen, vielleicht sehr eigenen, Gedanken am „vernünftigsten“ umgeht? Das angeblich bei anderen Beobachtete in einen Artikel packen, der es gleich nochmal in sich selbst durchspielt und nach außen trägt. Man will ja er- oder aufklären. Zum Glück stehen Artikel, so als Momentaufnahmen, ganz im Sinne Herr Drachs zur Interpretation frei. Eine Wirkung auf den Rezipienten findet natürlich auch statt. Ist aber hoffentlich in diesem Fall nicht nachhaltig.


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